Fanny Lustaud als Orontea in Antonio Cestis Oper am Theater Aachen

18.02.2023 – Antonio Cesti, "L’Orontea" in Aachen

Stand: 18.02.2023, 09:30 Uhr

Die Barockoper boomt an unseren Bühnen. Fast jedes Haus hat eine Oper von Händel im Repertoire, meist "Alcina", "Serse" oder "Orlando". Aber nur wenige Häuser zeigen noch mehr aus dem unerschöpflichen Fundus von 400 Jahren Operngeschichte als diese Barockklassiker. Das Theater Aachen z. B. mit L’Orontea von Antonio Cesti. Ein Stück, das zwar schon 1982 von René Jacobs mit einer WDR-Aufnahme wiederentdeckt wurde, aber trotzdem so selten gespielt wird, dass es zur Zeit europaweit, ja wahrscheinlich weltweit, nur in Aachen zu erleben ist.

"L’Orontea" von 1656 ist eine der frühesten komischen Opern überhaupt, die einen Plot über Liebe, Täuschung, Ablehnung, Geschlechtertausch und Trunkenheit in einer theatertauglichen Dramaturgie so intelligent entfaltet, dass man sich nach drei Stunden wundert, wie es gelingen kann, dass die heiratsunwillige ägyptische Königin Orontea, ohne Schaden an Leib und Seele zu nehmen, sich am Ende doch standesgemäß mit dem am Anfang sehr verletzten Maler Alidoro vermählen kann.

Natürlich sind drei Stunden schon sehr lang, aber in Aachen konnte man unter der sorgfältigen Personenregie von Ludger Engels erleben, dass Komik eben manchmal Dauer braucht, wenn z. B. Silandra ihrem gerade noch angehimmelten Corindo umständlich den Laufpass gibt, um sich mit Alidoro zuzuwenden, der nur wenig später dasselbe mit ihr tut. Diese Szenen leben nicht von Situationskomik, sondern von einem sich bis Absurde steigernden Pingpong der Gefühle.

Und hier kommt die Musik ins Spiel. Solche sprachreichen komischen Dialoge entwickeln sich nur, wenn das singende Sprechen, das recitar cantando, wie in Aachen unter Leitung des Barockexperten Christopher Bucknall sich mit Beweglichkeit, rhythmisch-rhetorischer Genauigkeit und klanglicher Abwechslung entfaltet und immer wieder geschmeidig in kurze Ariosi übergeht, denn die frühe Barockoper kannte die Trennung zwischen ausladenden Arien und trockenen Rezitativen noch nicht. Diese klangliche Abwechslung gelang in Aachen, weil man ein kleines 12-köpfiges Ensemble in dem hochgefahrenen Graben versammelt hat, bestehend aus Violinen, Cello, Zinken, Harfe, Gambe, zwei Cembali, Orgel, Lauteninstrumenten und Perkussion.

Alle Sänger waren vertraut mit dem barocken Operngesang, entwickelten zusätzlich tänzerische Energien (Choreographie: Ken Bridgen) und agierten in schrillen Kostümen (Raphael Jacobs) vor einem silbernen Bühnenprospekt (Ric Schachtebeck) mit wenigen Requisiten wie einer 60er-Jahre Sitzgruppe, rollbaren Altären, die immer, wenn es emotional heftig wurde, reingeschoben wurden oder einer Waschmaschine, die der alten Mutter Aristea mit Tenorstimme als Schrein für ihre queeren Accessoires dient oder als Aktionsfläche für ihre Annährungsversuche an die als Mann verkleidete Giacinta.

Eine moderne Inszenierung paart sich hier mit einer mustergültigen Aufführung im Geiste der Historischen Aufführungspraxis, würdig, um auf jedem Opern- oder Alte-Musik-Festival präsentiert zu werden.

Premiere: 17.02.2023, noch bis 13.05.2023

Besetzung:
Filosofia: Juliana Curcio
Amore: Eva Diederix
Orontea, Königin von Ägypten: Fanny Lustaud
Creonte, Hofphilosoph: Alexander Kalina
Tibrino, junger Page: Anne-Aurore Cochet
Aristea, vermeintliche Mutter Alidoros: Patricio Arroyo
Alidoro, junger Maler: Thomas Scott-Cowell
Gelone, trunksüchtiger Diener: Sreten Manojlovic
Corindo, junger Höfling: Léo Fernique
Silandra, junge Hofdame: Yewon Kim
Giacinta, frühere Hofdame: Larisa Akbari

Sinfonieorchester Aachen (auf historischen Instrumenten)

Musikalische Leitung: Christopher Bucknall
Inszenierung: Ludger Engels
Bühne: Ric Schachtebeck
Kostüme: Raphael Jacobs
Licht: Eduard Joebges
Choreographie: Ken Bridgen
Dramaturgie: Fabian Bell
Dramaturgische Beratung: Julia Huebner