Was man in Deutschland aus dem Fernsehen kennt, das Mittelmeer, die Balkanroute, das war der Weg, auf dem auch ich gekommen bin. Die zertrümmerten Häuser, das ist meine Heimat. Ich war 23. Und jetzt, zehn Jahre später, nach dem Sturz von Assad, will ich unbedingt wieder in mein Syrien. Wie ein Magnet zieht es mich dorthin. Meine Reiseroute führt über Köln mit Zwischenstopp in Istanbul, weiter nach Beirut und dann mit dem Taxi nach Damaskus.
Schon auf dem Flug von Köln nach Istanbul sehe ich, dass ich nicht der Einzige bin. Rida aus Heinsberg spricht mich an. Er kennt WDRforyou. Mit 17 kam er alleine, jetzt reist er das erste Mal zurück und will auch gleich heiraten. Er hört gar nicht auf zu strahlen. Er ist IT-Techniker und hat drei Wochen Urlaub genommen.
Aufregung bei der Einreise
Je näher wir der Grenze kommen, desto stiller werde ich. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich gleich in Syrien sein werde. In einem neuen Syrien. Statt Grenzbeamten in Uniform sitzen Männer in Zivil hinter den Schaltern. "Herzlich willkommen" lächeln sie mir unter ihren Bärten zu. Sie habe genau diese syrische Herzlichkeit, die ich so mag. Und es ist exakt das Gegenteil von dem, wie die Assad-Beamten früher waren. Neben mir steht ein anderer Rückkehrer aus Deutschland. Man muss nichts sagen, wir sind beide aufgeregt.
Und dann bin ich tatsächlich in Damaskus. Nie hätte ich gedacht, dass ich diese Stadt noch einmal sehen werde. Ständig suche ich nach Orten, die mein Leben waren: Ich entdecke die Praxis vom Kinderarzt, dann sehe ich den schönen Boulevard, wo ich so oft saß, um Kaffee zu trinken. Bin hin- und hergerissen und rede mal ganz viel und dann werde ich wieder still. Mein Staunen, mein innerer Ausnahmezustand wird andauern. Ehrlich gesagt, er ist immer noch nicht vorbei.
Nur zwei Stunden Strom am Tag
In was für ein Land bin ich zurückgekehrt? Die wirtschaftliche Lage in Syrien ist mit "miserabel" vorsichtig umschrieben. Pro Tag gibt es nur zwei Stunden Strom in der Hauptstadt. Ich bin auch ständig damit beschäftigt, ins Internet zu kommen. Das funktioniert mies.
Abends versinkt mein Damaskus dann in der Dunkelheit und vor allem in Kälte. Meine Tante trägt einen warmen Fleece-Anzug, hat einen kleinen Ölofen, aber trotzdem ist es kalt. Irgendwie frieren ständig alle. Selbst die hohe Beamtin im Informationsministerium läuft die ganze Zeit in einer gefütterten Winterjacke durch das Büro. Überall ist es kalt.
Extreme Inflation erschwert den Alltag

Borhan Akid mit einem Stapel syrische Lira
Am Rande der Kreuzungen stehen Geldwechsler, die den Kofferraum voll Bares haben. Das gab es früher nicht. Die syrische Lira hat so viel an Wert verloren, dass ich die ganze Zeit riesige Geldstapel mit mir herumschleppen muss. Ein Geldwechsler sagt mir: "Wir zählen die Scheine nicht mehr, wie wiegen sie."

Statt die Scheine zu zählen, wiegen Geldwechsler die syrische Lira
Später regt sich ein Kellner auf und erklärt mir, was der Wertverlust praktisch bedeutet: Als ein Gast eine Rechnung von 5 Millionen Lira begleichen muss, und alles mit 5.000 oder 10.000-Lira-Scheinen bezahlt, werden die Kellner fast verrückt, weil sie so lange das Geld zählen müssen. Wo ich auch hinblicke, Syrien liegt durch die Diktatur der Assads, Korruption und Sanktionen am Boden.
Aber jetzt, fast zwei Monate nach dem Sturz von Assad, packen alle mit an. Als gäbe es ein gemeinsames Projekt, das Syrien heißt und gelingen muss. Nur deshalb ist die öffentliche Ordnung nicht zusammengebrochen. Im Straßenverkehr fällt mir das besonders auf. Motorräder fahren schnell auf dem Bürgersteig, Stau überall, weil jetzt das Benzin wieder frei verfügbar ist und auch weniger kostet.
Hoffnung auf bessere Zeiten
Montags und Samstags helfen Freiwillige aus, um den chaotischen Verkehr in Damaskus zu regeln, erzählt mir der Polizist Haj Ali, während er den Verkehr dirigiert. Kurz vorher prallen zwei Autos aufeinander. Die Fahrer steigen aus, werfen einen Blick auf die ohnehin schon etwas lädierten Autos, lachen und wünschen sich alles Gute. Das ist mein Land: Viele Menschen haben so viel Hoffnung nach dem Ende der Assad-Diktatur. Es muss besser werden. Das hoffen alle im Land und ich auch.
Und dann sehe ich meinen Stadtteil. Dariyya. Hier bin ich aufgewachsen. Hier habe ich auf der Straße gespielt. Und jetzt stehe ich vor unserer alten Wohnung und sehe so viele Einschusslöcher. Das Haus steht zumindest noch. Der Friedhof von Dariyya ist mitten im Ort und riesig. Ganze Straßen sehen so aus, wie die Bilder, die man zuletzt aus Gaza sah: Trümmerhaufen. Wohin sollen die Leute da zurückkehren?
Ein Wiedersehen nach 10 Jahren

Wiedersehen nach zehn Jahren
Dann kommt unser alter Nachbar aus dem Haus geschossen, Herr Arasch. Mit Schlappen ist er sofort heruntergerannt, als er mich vom Balkon aus sah. Er hört nicht auf mich zu küssen. Und sagt: "Wie schön, dass Du wieder da bist. Du hast Dich nicht verändert. Wie schön! Borhan! Wir können es beide nicht glauben, dass wir uns wiedersehen." Jetzt weiß ich, ich bin wieder zu Hause. Es ist zerstört, aber die Menschen wollen neu anfangen. Unmöglich, davon nicht berührt und von ihrer Hoffnung angesteckt zu werden.
Unsere Quelle:
- WDR-Reporter vor Ort