Bürokratie

Ampel will Bürokratie abbauen: Digitalisierung soll es richten

Stand: 30.08.2023, 14:57 Uhr

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch Eckpunkte für ein neues Gesetz zum Bürokratieabbau beschlossen. Was ist der "Bürokratie-Ballast", von dem Bürger und Wirtschaft befreit werden sollen?

Für Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist die Zeit für eine Trendwende gekommen: "Viele Betriebe in Deutschland leiden unter einem bürokratischen Burn-Out", sagte Buschmann am Mittwoch, bevor er die Eckpunkte des mittlerweile schon vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) vorstellte.

Gleichzeitig räumte Buschmann ein, dass die Bürokratiebelastung für Bürger und Unternehmen unter der Ampel-Regierung bisher nicht kleiner geworden ist - sie sei in Zeiten von Corona und Ukraine-Krieg sogar eher gewachsen. Damit müsse nun Schluss sein: Das neue Gesetz dürfe man als "Startschuss für eine dauerhafte Trendwende" verstehen.

Welche Erleichterungen sind geplant? Welche Neuerungen sind für Unternehmen interessant, welche für Privatleute? Was sagen die Betroffenen? Und wie sind die Aussichten, dass die "Trendwende" nicht wieder im Sande verläuft? Fragen und Antworten.

Welche bürokratische Pflichten sollen gestrichen werden?

Es sind nicht wenige: Das Eckpunktepapier der Bundesregierung umfasst insgesamt 28 Punkte. Ein großer Teil der geplanten Erleichterungen soll durch die Digitalisierung des amtlichen Schriftverkehrs erreicht werden. Bisher muss der Großteil solcher Dokumente in "Schriftform" erstellt, also ausgedruckt, unterschrieben und zur Post gebracht werden. In Zukunft soll auch die elektronische Form in vielen Fällen akzeptiert werden.

Beispiele für die geplante Digitalisierung sind:

  • Die elektronische Schriftform wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als rechtssicher anerkannt. Damit sind zum Beispiel elektronische Mietverträge für Gewerberäume möglich.
  • Arbeitszeugnisse können ebenfalls in digitaler Form ausgestellt werden.
  • Die gesetzlich vorgeschriebene Information über Allergene, Zusatzstoffe und Aromen bei lose verkauften Lebensmitteln muss nicht mehr schriftlich beim Verkäufer vorliegen.
  • Verpflichtende Aushänge in Betrieben, die über die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes informieren, können auch zum Beispiel auch im Intranet veröffentlicht werden.
  • Anträge auf Elternzeit können künftig auch per Mail gestellt werden.

Welche Neuerungen sind auch für Privatleute interessant?

Die wichtigste Erleichterung betrifft die Fristen, in denen Belege für die Steuererklärung aufbewahrt werden müssen. Bisher durfte der Papierberg erst nach zehn Jahren entsorgt werden, künftig ist schon nach acht Jahren Schluss. Auch die Kündigung von Mietverträgen wird vereinfacht: In Zukunft genügt es, die Kündigung mit dem Smartphone zu fotografieren und per Mail zu verschicken. Für Reisende mit deutschem Pass entfällt außerdem die Meldepflicht in Hotels.

Auch an Flughäfen könnten in Zukunft die Kontrollen erleichtert werden: Stimmt der oder die Reisende zu, werden die im Chip von Reisepässen hinterlegten Daten an Luftfahrtunternehmen übermittelt. So kann am Reisetag vieles digital abgewickelt werden, zum Beispiel der Check-in, die Gepäckaufgabe und die Zugangskontrolle zum Sicherheitsbereich.

Wie soll die Wirtschaft künftig Zeit und Geld sparen?

Viele Unternehmen beschweren sich seit langem über den hohen Aufwand, den die so genannte Informationspflicht mit sich bringt. So sind Unternehmen teilweise verpflichtet, statistische Daten an die Behörden zu übermitteln. Informationspflichten sind zum Beispiel im Energierecht, im Außenwirtschaftsrecht und in der Gewerbe- und Handwerksordnung vorgeschrieben. Noch ist nicht klar, in welchen Bereichen die Behörden künftig auf regelmäßige Informationen verzichten werden.

Bis das Gesetz zum Bürokratieabbau verabschiedet wird, sollen alle Informationspflichten zunächst "auf den Prüfstand" gestellt werden, heißt es im Eckpunktepapier. Welche letztendlich wegfallen, ist also noch nicht entschieden.

Wie fallen die ersten Reaktionen aus?

Gemischt. Die Kürzung der Aufbewahrungsfristen für Geschäftsbelege sei nicht der große Wurf, sagte zum Beispiel Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), dem WDR am Mittwoch. Schon jetzt speichere ein Großteil der Unternehmen solche Dokumente elektronisch. "Da ist es eigentlich egal, ob sie nach acht oder zehn Jahren gelöscht werden dürfen."

Auch wenn es durchaus Bemühungen gebe, die Versäumnisse bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nachzuholen, habe Deutschland in diesem Bereich inzwischen den Anschluss an Europa verloren. "Bis das nicht aufgeholt wurde, wird auch der Bürokratieabbau hinterherhinken. Ohne umfassende Digitalisierung geht es nicht."

Vorsichtig positiv äußerte sich der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW. "Die Vielzahl an Vorschriften, Pflichten und Verordnungen ist ein echter Standort-Nachteil in Deutschland und hemmt Investitionen", sagte Johannes Pöttering dem WDR am Mittwoch. Deshalb werde jede Anstrengung der Bundesregierung, die Last der Unternehmen zu erleichtern, von den Unternehmern begrüßt. "Den schönen Worten müssen jetzt Taten folgen."

Wie sind die Erfolgsaussichten?

Das ist schwer zu sagen: Noch gibt es das neue Gesetz zum Bürokratieabbau nicht, beschlossen wurden am Mittwoch nur die Eckpunkte. Welche von ihnen es schließlich in das fertige Gesetz schaffen, ist noch nicht klar. Seit 2015 haben verschiedene Bundesregierungen außerdem bereits drei Bürokratie-Entlastungsgesetze verabschiedet - eine echte Trendwende blieb jedoch aus.

Für Bundesjustizminister Buschmann liegt das allerdings auch daran, dass ein Großteil der bürokratischen Vorschriften auch auf EU-Recht beruhen: Zusammen mit der EU-Kommission müsse nun geklärt werden, wie Bürokratie auch auf europäischer Ebene abgebaut und die Schaffung neuer Bürokratie vermieden werden kann.

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