Leerstand an der "Energiewende 1"
Lokalzeit Münsterland. 13.08.2024. 03:12 Min.. Verfügbar bis 13.08.2026. WDR. Von Christian Schweitzer.
Leerstand an der "Energiewende 1"
Stand: 14.08.2024, 13:42 Uhr
Die Enapter AG wollte der zweitgrößte Arbeitgeber in Saerbeck werden. Jetzt steht die neue Produktionshalle seit Monaten leer.
Von Christian Schweitzer
Der Frust ist Saerbecks Bürgermeister Tobias Lehberg anzusehen, wenn er an der Adresse "Energiewende 1" steht. Der Straßenname stammt aus der Zeit, als der Wasserstoff-Spezialist mit großen Plänen nach Saerbeck kam.
10.000 dieser kleinen Elekrolyseure wollte Enapter monatlich in Saerbeck herstellen.
300 Fachkräfte sollten hier 10.000 kleine Elektrolyseure für den Hausgebrauch produzieren – pro Monat. Dafür gab es die markante Adresse, an der Enapter die 23.000 Quadratmeter große Produktionshalle und einen Verwaltungstrakt bauen ließ.
Unternehmensgeschichte mit Höhen und Tiefen
Für Bürgermeister Tobias Lehberg war der Tiefpunkt erreicht, als ihn Ende Mai die Enapter-Firmennachricht von der "Strategieanpassung durch neues Partnermodell" erreichte. Der neue Partner montiert in China. Die Kerne der Elektrolyseure werden am zweiten Enapter-Standort in Pisa/Italien hergestellt. Saerbeck geht leer aus.
Marktentwicklung anders als vorgesehen
Saerbecks Bürgermeister Tobias Lehberg ist enttäuscht.
"Ich war natürlich überhaupt nicht begeistert, weil natürlich auch meine persönlichen Erwartungen andere gewesen sind", erklärt Lehberg, "aber es ist halt nachvollziehbar als unternehmerische Entscheidung, wenn sich ein Markt anders entwickelt." Gemeint ist die echte Energiewende.
Denn nicht nur Wärmepumpen stapeln sich gerade in deutschen Verkaufslagern. Auch beim Wasserstoff blieb die Nachfrage nach kleinen "Elektrolyseuren für den Hausgebrauch" aus.
Grüner Strom aus Saerbecks Bio-Energiepark
Noch vor einem Jahr war der Optimismus auch bei NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur groß, bei der Vorstellung des XXL-Modells von Enapter. Doch auch dieses Modell für Industriekunden wird jetzt in China montiert.
Der benachbarte Bio-Energiepark sollte grünen Strom liefern.
In Saerbeck wäre das mit dem grünen Strom aus dem benachbarten Bio-Energiepark erfolgt. "Da haben wir natürlich mitgeholfen, die Energieversorgung aufzubauen." Dazu wurde eine direkte Stromleitung vom Energiepark zu Enapter gebaut.
Was passiert mit den Fördergeldern für Enapter?
Nach der Absage kam der Verdacht des möglichen Subventionsbetrugs auf. WDR-Recherchen ergaben: Enapter hat tatsächlich 13,6 Millionen Euro von Bund und Land erhalten. Forschungsgelder für Wasserstoffprojekte, an denen Enapter beteiligt war.
Aber alles wurde "entsprechend dokumentiert", der "Projektfortschritt nachvollziehbar", so die Antwort des zuständigen Projektträgers Jülich auf WDR-Nachfragen. Die riesige Produktionsstätte am Rand von Saerbeck hat Enapter selbst bezahlt, "außerhalb der Projektförderung".
Mieter für Riesenimmobilie gesucht
Enapter sucht jetzt Mieter für die leere Riesenimmobilie. Zwei sind bisher gefunden: Ein Logistiker nutzt Teile der Riesenhalle. Eine Werbe-Firma hat 350 Quadratmeter Bürofläche angemietet.
Enapter Standort an der Straße "Energiewende".
"Ansonsten steht hier noch fast alles leer", erklärt ein Mitarbeiter der Werbefirma auf WDR-Anfrage. Enapter selbst sagte ein dem WDR bereits zugesagtes Interview kurzfristig ab. Man könne "vielleicht später im Jahr" noch mal anfragen.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Enapter AG
- Tobias Lehberg, Bürgermeister der Gemeinde Saerbeck
- Forschungszentrum Jülich
- NRW-Wirtschaftsministerium
- FH-Münster
- Wirtschaftsförderung Kreis Steinfurt