Eine junge Hand hält eine alte Hand

Zukunft der Pflege: Befragung liefert Auftakt für Diskussionen in Bielefeld

Stand: 02.11.2022, 18:24 Uhr

Wie kann unsere Pflege – angesichts von Fachkräftemangel und steigender Pflegebedürftigkeit – in Zukunft aussehen? Ergebnisse einer großen Befragung in Bielefeld liefern dafür jetzt Diskussionsstoff.

Von Steven Hartig

Heim oder Daheim? Mensch oder Roboter? Mama pflegen oder pflegen lassen? Mit diesen Sprüchen hatte eine Kampagne monatelang für die Umfrage geworben. 1500 Bielefelderinnen und Bielefelder nahmen teil, beantworteten Fragen über würdevolles Altern, die Pflege von Angehörigen, Nachbarschaftshilfe und Digitalisierung.

"Das wichtigste Ergebnis ist für uns, dass die Bürgerinnen und Bürger Selbstbestimmung ganz wichtig finden. Das bezieht sich nicht nur auf die Pflege, sondern auch auf das Wohnen", sagt Charlotte Șahin vom ZIG, Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL, die die Befragung durchgeführt haben. Als Ideen dafür nannten die Befragten zum Beispiel Mehrgenerationenhäuser oder Pflege-WGs.

Kaum Vorsorge für Pflege im Alter

Ein Auftakt für lebendige Diskussionen soll die Befragung sein, so zumindest ihre Hoffnung. Denn nicht mal jede siebte Person, so ein weiteres Ergebnis der Befragung, findet es aktuell wichtig, die eigene Pflege im Alter frühzeitig zu planen. Ein Lieblingsthema der Bielefelderinnen und Bielefelder ist Pflege also offenbar nicht.

Mit der Initiative "Zukunftsbild Pflege" möchten das ZIG, das Projekt Open Innovation City, die Stadt Bielefeld und etliche Wohlfahrtsverbände diese Haltung ändern. Das Ziel: Positiv und zukunftsgerichtet mit der Bevölkerung, Unternehmen und Vereinen über Pflege diskutieren – und nicht nur jammern.

Stadt möchte Beratungsangebote bekannter machen

"Die Menschen wollen selbstbestimmt ihr Altern gestalten und brauchen dabei Unterstützung", sagt Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Die Stadt sehe sich vor allem in der Verantwortung, einen Weg durch den "Dschungel der Hilfen" zu bieten, so Nürnberger. Die bestehenden Beratungsangebote müssten noch besser bekannt gemacht werden, das habe die Befragung gezeigt.

Die Stadt habe auch ein "fiskalisches Interesse" daran, dass Pflege gut organisiert ist, betonte Nürnberger. Wichtig seien dafür die gute Zusammenarbeit zwischen Ehren- und Hauptamtlichen, funktionierende Nachbarschaftsnetzwerke und Unterstützung für pflegende Angehörige.

Kritik an Hausärzteversorgung und Pflege-Zuzahlungen

Neben den Wünschen der Bevölkerung offenbarte die Befragung auch Probleme: Als nicht angemessen bewerteten viele Befragte die Hausärzteversorgung in Bielefeld (44 Prozent) sowie die Zuzahlungen und Eigenanteile für Pflege (59 Prozent). Ersteres soll die neue Medizinische Fakultät künftig verbessern. Letzteres könnte nur die Bundespolitik anpacken – dafür möchte sich die Stadt künftig einsetzen.

Äußerst positiv blickt die große Mehrheit auf die Digitalisierung in der Pflege. Vor allem auf eine Entlastung der Pflegenden hoffen viele Befragte (73 Prozent) – und auf mehr Zeit für die Betreuung. Nur elf Prozent lehnen Technik in der Pflege grundsätzlich ab.

Anfang kommenden Jahres möchten die Projektinitiatoren in den Bielefelder Stadtvierteln diskutieren und weitere Ideen aus der Bevölkerung sammeln. Auch um Prävention und Gesundheitsförderung soll es dann gehen. Denn geistig und körperlich fit sowie mobil bleiben – so lange wie möglich – das wünscht sich die große Mehrheit der Befragten.

Die demografische Entwicklung ist auch in Bielefeld eindeutig: 2017 lebten in der Stadt noch knapp 14.000 Pflegebedürftige, zwei Jahre später waren es schon über 17.000.