Evangelische Kirche stellt Studie zu sexuelle Gewalt vor

Lokalzeit Südwestfalen 21.03.2024 02:25 Min. Verfügbar bis 21.03.2026 WDR Von Claudia Roelvinck

Studie: Sexuelle Gewalt in Kirchengemeinde Lüdenscheid wurde absichtlich verschwiegen

Stand: 22.03.2024, 15:25 Uhr

Ein Jugendbetreuer in Lüdenscheid soll Kindern über 30 Jahre sexuelle Gewalt angetan haben. Eine Studie zeigt, warum das möglich war.

Von Claudia RoelvinckClaudia Roelvinck

"Eine ernstzunehmende Aufklärung gab es nicht." Das ist ein Ergebnis der Studie des Münchner sozialwissenschaftlichen Forschungs- und Beratungsinstitut (IPP). Das hat untersucht, wieso sexualisierte Gewalt an Mädchen und Jungen in der evangelischen Kirchengemeinde Lüdenscheid-Brügge unentdeckt blieb.

Sexualisierte Gewalt wohl über 30 Jahre lang

Kirche Lüdenscheid-Brügge

Die evangelische Kirche Lüdenscheid-Brügge

Jahrelang soll ein ehrenamtlicher Jugendbetreuer Mädchen und Jungen sexuelle Gewalt angetan haben. Im Sommer 2020 fassen mehrere Betroffene den Mut, sich an die Landeskirche zu wenden. Die Kirche ist daraufhin gezwungen, sich mit den Vorwürfen zu beschäftigen. Der ehrenamtliche Kirchenmitarbeiter nimmt sich nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe das Leben.

Kirche soll schon seit den 90er Jahren davon gewusst haben

Laut der Studie soll die Kirche aber schon viel länger von den Vorwürfen gewusst haben. Bereits 1997 wurde ein Fall aktenkundig. Damals hatte der ehrenamtliche Mitarbeiter eine Jugendfreizeit in Schweden begleitet. Ein anderer Betreuer meldete später sexuelle Übergriffe gegenüber einem Jungen. Der damalige Vikar unternahm nichts. Auch nicht als sich der betroffene Junge später selbst meldete.

Kirchengemeinde Lüdenscheid-Brügge

Der Kirchenmitarbeiter arbeitete ehrenamtlich im Jugendbereich

Anderen Beschwerden und Meldungen soll ebenfalls nicht nachgegangen worden sein. Auch weil der ehrenamtliche Kirchenmitarbeiter mit den Pfarrern der Gemeinde und Presbyteriumsmitgliedern befreundet und beruflich verwoben war.

Die Wissenschaftlerinnen des Münchner IPP-Instituts kommen deshalb in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass den Mitwissern der Ruf der Kirchengemeinde wichtiger gewesen sei, als das Wohlergehen der Jugendlichen.

Studiogespräch: Christof Grote, Superintendent ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg

Lokalzeit Südwestfalen 21.03.2024 02:59 Min. Verfügbar bis 21.03.2026 WDR

Schleppende Aufklärung innerhalb der betroffenen Gemeinde

Das sei auch einer der Gründe, wieso die Aufklärung der Missbrauchsfälle nur schleppend vorankomme. Viele hätten gemeint, mit dem Selbstmord des Jugendbetreuers einen Schlussstrich unter "die Angelegenheit" ziehen zu können, so die Wissenschaftlerinnen.

"Die Verstrickungen innerhalb der Gemeinde und das Versagen in der Vergangenheit wirken bis in die Gegenwart hinein. Interne Aufarbeitung wird dadurch schwer bis unmöglich." Studienmacherinnen des Münchener IPP-Instituts

Für die Studie mit Missbrauchsopfern gesprochen

Für die Studie konnten die Erstellerinnen mit elf Personen sprechen, die von dem ehemaligen Kirchenmitarbeiter sexuelle Gewalt erfahren haben sollen.

Vorstellung der Missbrauchsstudie

Der Vorwurf: Die Aufklärung der Missbrauchsfälle läuft schleppend

Am Ende kommen die Wissenschaftlerinnen zu dem Ergebnis, dass man aus der missglückten Aufklärung in Lüdenscheid für die Zukunft lernen kann. Sie empfehlen, sich bei Fällen von Gewalt, Macht und Abhängigkeiten Hilfe durch unabhängige Berater zu holen und die Opfer ernst zu nehmen.

Über dieses Thema berichtete der WDR am 21.03.2024 in der WDR Lokalzeit Südwestfalen.

Quellen:

  • WDR-Reporterin vor Ort
  • Münchener IPP-Institut