Schmuck auf einer Waage im Pfandhaus

Geldnot treibt Menschen in OWL in Pfandhäuser

Stand: 23.09.2022, 18:30 Uhr

Lebensmittel, Heizen, Tanken – wegen der steigenden Lebenshaltungskosten verpfänden aktuell deutlich mehr Menschen in OWL ihr Hab und Gut, um über die Runden zu kommen.

Von Steven Hartig

An den Winter mag der vierfache Familienvater aus Löhne noch gar nicht denken. Denn schon heute sehe es in seinem Portmonee schwierig aus. Im Leihhaus Herford holt er am Donnerstag (22.09.2022) sein Handy ab, das er den Tag zuvor verpfänden musste: "Es wurde sehr eng in letzter Zeit wegen der Strom- und Gaspreise, wegen der Nachzahlungen. Das musste ich überbrücken."

Ein "Paradigmenwechsel" in den Pfand- und Leihhäusern

In den Leihhäusern der Region ist das aktuell leider kein Einzelfall. Brian Milas, Inhaber des Leihhauses in Herford, beobachtet in den vergangenen sechs Monaten genau solche Kundschaft immer häufiger. Für ihn ein Paradigmenwechsel.

"Wenn wir die letzten zehn Jahre eher Konsumprobleme lösen konnten, dann ist es jetzt so, dass wir immer mehr spüren, dass die Leute wirklich Geld brauchen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können." Brian Milas, Inhaber vom Leihhaus Herford
Brian Milas vom Leihhaus Herford in seinem Pfandlager

Brian Milas vom Leihhaus Herford vor seiner Sammlung mit Pfandgegenständen

Auch abgeholt werden Gegenstände immer seltener, einer von sieben Pfandscheinen wird mittlerweile nie wieder eingelöst. Schmuck und Ähnliches, vor allem aus Gold, machen knapp 80 Prozent aller Pfandgegenstände aus. Doch viele Leute geben auch Alltägliches ab, um unkompliziert an Geld zu kommen. Zum Beispiel den eigenen Laptop oder die Spielekonsole der Kinder. Dinge, die zu Hause eventuell jemand vermisst.

Gerne kommt niemand in das Leihhaus. Doch viele haben aktuell das Gefühl, ihnen bleibe nichts anderes übrig. Wie eine Herforderin, die regelmäßig das Leihhaus besucht: "Wir sind alle berufstätig. Wir arbeiten für unser Leben, für unseren Unterhalt. Wenn das dann nicht mehr reicht, weil die Kosten explodieren, und das einen alles einholt – das geht gar nicht".

Enttäuscht von der Politik

Am Donnerstag verpfändet die Herforderin ein Smartphone der Familie, bekommt dafür einige Hundert Euro. Von der Politik erhofft sie sich wenig.

"Wenn ich 80 Euro im Monat für eine Heizung mehr bezahlen muss, das macht einen Tausender im Jahr aus, da sollen dann 300 Euro helfen? Das ist doch wohl lächerlich." Herforderin und regelmäßige Kundin im Leihhaus

Leihhaus: Pfand gegen Bares

Das Prinzip im Leihhaus ist einfach: Gegen ein Pfand, zum Beispiel Goldketten, Uhren, Technik oder sogar das eigene Auto, bekommen Kundinnen und Kunden einen Kredit. Ohne Schufa-Prüfung, ohne weitere Fragen.

Das Leihhaus nimmt dafür pro Monat gesetzlich festgeschriebene Zinsen und Gebühren in Höhe von vier Prozent. Ein unbürokratischer Rettungsanker – erst recht für alle, die ihren Dispo bereits ausgereizt haben.

Tausende Kunden allein im Leihhaus Herford

In den zehn Jahren, die Brian Milas sein Leihhaus in Herford betreibt, hätten bereits 10.000 Kundinnen und Kunden sein Geschäft betreten. Einen mittleren einstelligen Millionenbetrag Bargeld bringe sein Geschäft so pro Jahr in die Region. Allein in diesem Jahr habe er schon knapp 5.000 Pfandscheine ausgegeben.

"Wenn wir früher eingekauft haben für 100 Euro, dann hatten wir einen halben Einkaufswagen" erinnert sich der vierfache Familienvater aus Löhne. "Jetzt bekommen wir für 100 Euro nicht mal den Boden des Einkaufswagens belegt.“

Doch bevor seine Frau oder Kinder etwas weggeben müssten, bringe er auch beim nächsten Mal lieber wieder sein Handy ins Leihhaus.

Über dieses Thema berichten wir im WDR-Fernsehen in der Lokalzeit OWL am 23.09.2022 um 19:30 Uhr.