Messerattacke von Geseke - Interview mit der Mutter des Opfers

Lokalzeit Südwestfalen 01.10.2024 03:16 Min. Verfügbar bis 01.10.2026 WDR Von Elisabeth Konstantinidis

Messerattacke von Geseke - Interview mit der Mutter des Opfers

Stand: 01.10.2024, 10:12 Uhr

Sechs Wochen nach dem Messerangriff auf einen 14-Jährigen haben wir mit der Mutter des Opfers ein Interview geführt.

Von Elli KonstantinidisElli Konstantinidis

Am 14. August wurde in Geseke ein 14-jähriger Junge von einem 13-jährigen Jungen lebensgefährlich mit einem Messer verletzt. Die Messerklinge durchstach dabei den Magen des Opfers und verletzte die Bauchspeicheldrüse. Dank der schnellen Hilfe vor Ort konnte Devin durch eine Notoperation überleben.

Jetzt, sechs Wochen nach der Tat, erinnert äußerlich nur noch die Wunde an diese Tat. Äußerlich. Denn das, was man nicht sieht, sind die emotionalen Wunden. Nicht nur für Devin – für die ganze Familie. Der Weg zur Normalität, wieder zurück zu einem Alltag ist groß. Im WDR-Interview schildert uns die Mutter des Opfers, Irina Stelter, ihre Gedanken und wie die Familie mit dem Erlebten umgeht.

WDR: Wie geht es Ihnen heute?

Irina Stelter: Es ist immer noch schwer. Man steht mit dem Gedanken an die Tat auf. Man geht auch mit diesem Gedanken wieder schlafen. Die Unruhe ist jeden Tag spürbar. Auch wenn man versucht sich zusammenzureißen. Natürlich mache ich mir auch Sorgen, wie das jetzt weitergehen soll, weil der Alltag noch lange nicht wieder zurück ist. Also das braucht bestimmt auch noch Zeit. Wir reden viel innerhalb der Familie. Versuchen es gemeinsam zu verarbeiten.

WDR: Wie haben Sie den 14.08. erlebt?

Devin Opfer Messerattacke Geseke

Devin wurde von einem 13-Jährigen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt

Stelter: Als ich den Anruf von Devins Freunden erhalten habe und die mir gesagt haben, dass mein Sohn niedergestochen wurde, habe ich es zuerst nicht geglaubt. Als ich dann plötzlich Devin im Hintergrund gehört habe, wusste ich, dass es ernst gemeint ist. In dem Moment ging mir alles durch den Kopf – Wut, Fassungslosigkeit, Angst, Panik. Es war ein Gefühlschaos. Es war einfach unbeschreiblich.

WDR: Was passierte dann?

Stelter: Wir sind direkt zu unserem Sohn. Er lag auf dem Boden. Sein T-Shirt war voller Blut. Mein Kopf war völlig leer. Man funktioniert einfach nur. Erst im Krankenhaus, als der Arzt vor der Notoperation zu mir meinte, ich sollte mich von meinem Sohn verabschieden. Genau in diesem Moment brach alles zusammen. Diese Situation wünsche ich keiner Mutter.

WDR: Heute sechs Wochen nach der Tat – was ist für Sie am schwersten zu verarbeiten?

Stelter: Der Gedanke, dass ein Kind diese Tat verübt hat. Dass ein Kind solch eine Waffe bei sich getragen hat? Dass die Schwelle, solch eine Waffe einzusetzen, so niedrig ist. Wie kann das sein? Dass Jungs sich streiten, sich raufen, das verstehe ich. Aber warum es so eskaliert? Das kann und werde ich wohl nie verstehen.

WDR: Wie erleben Sie ihren Sohn heute?

Stelter: Devin hat zum Glück kaum noch Schmerzen. Jedoch sind die Narben so groß, dass sie ihn jeden Tag emotional sehr belasten. Ohne Angst raus zu gehen, mit seinen Freunden unterwegs zu sein – das ist sein größter Wunsch. Wir warten jeden Tag auf die Nachricht, dass Devin in die Reha kann. An erster Stelle steht die Aufarbeitung. Damit endlich wieder ein Stück Normalität, Alltag zurückkehrt.

WDR: Was ist Ihr größter Wunsch?

Stelter: Ich wünsche mir, dass das, was wir erlebt haben, keine Familie erleben muss. Das Mittragen von Messern muss Folgen haben. Es muss noch stärker durchgegriffen werden. Aufklärung, Prävention muss noch mehr stattfinden. Jede Schule, jede Familie sollte intensiv mit den Kindern über die Folgen solch einer Tat sprechen.

Jugendliche, Kinder müssen sensibilisiert werden. Über das Erlebte reden – das ist das Einzige, was ich machen kann. Wenn ich dadurch nur Einen wachrütteln kann, dann bin ich zufrieden.

Das Interview führte Elisabeth Konstantinidis.

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