Eingesperrtes Mädchen: Anklage gegen Großeltern und Mutter
Stand: 28.11.2024, 14:16 Uhr
Im Fall des jahrelang eingesperrten Mädchens in Attendorn müssen sich die Mutter und die Großeltern bald vor Gericht verantworten.
Von Gaby Rosenkranz
Die Mutter ist unter anderem wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen und Verletzung der Fürsorgepflicht angeklagt. Den Großeltern wird Hilfeleistung vorgeworfen. Das bestätigte eine Sprecherin des Siegener Landgerichtes dem WDR.
Das heute zehnjährige Mädchen war vor gut zwei Jahren im September 2022 von der Polizei und dem Jugendamt befreit worden.
Umzug nach Italien vorgetäuscht
Das Mädchen war zwei Jahre alt, als es versteckt und eingesperrt wurde. Zuvor hatte es zwei Verfahren vor dem Amtsgericht in Siegen gegeben. Die Eltern lebten zu diesem Zeitpunkt schon getrennt, der Vater wollte ein gemeinsames Sorgerecht für das Kind. In einem zweiten Verfahren ging es um das Umgangsrecht. In beiden Verfahren soll die Mutter einen Umzug nach Italien vorgetäuscht und dem Vater jeglichen Kontakt verweigert haben.
Kein Kindergarten, keine Schule, kein Arzt
Laut Anklage ist das Mädchen nie in eine Kita oder Schule gegangen. Sämtliche Untersuchungen beim Kinderarzt wurden nicht gemacht. Nach der Befreiung des Kindes stellten Gutachter im Rahmen der Ermittlungen körperliche und psychische Entwicklungsstörungen fest.
Zahlreiche anonyme Hinweise
Das Olper Kreisjugendamt hatte anonyme Briefe und Hinweise bekommen, dass in dem Haus etwas nicht stimmte. Laut Jugendamt reichten diese aber nicht als Beweise, um dem Ganzen nachzugehen. Trotzdem laufen gegen eine mittlerweile pensionierte Mitarbeiterin Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung im Amt durch Unterlassen.
Erst als die Behörden in Italien bestätigten, dass die Mutter nie an der angegebenen Adresse gewohnt hat, verschaffte sich das Jugendamt zusammen mit der Polizei Zutritt zu dem Haus und befreite das Mädchen.
Großeltern mitangeklagt
Die Großeltern sind – so heißt es juristisch – wegen Hilfeleistung angeklagt. Ihnen wird zur Last gelegt, dass sie ihr Haus „zur Verfügung“ gestellt haben, um das Mädchen zu verstecken. Und, dass sie die Lüge der Mutter, das Kind lebe in Italien, draußen verbreitet haben. Dass es überhaupt zu einer Anklage in diesem Fall kommen würde, war lange unklar. Laut zuständigem Staatsanwalt waren weder die Mutter noch die Großeltern bereit etwas zu sagen. Die heute 10-Jährige durfte nicht gehört werden. "Der gerichtlich bestellte Ergänzungspfleger hat nach eingehender Prüfung seine Zustimmung nicht erteilt," erklärte der zuständige Oberstaatsanwalt dem WDR in einer schriftlichen Stellungnahme.
Wann der Prozess stattfindet steht noch nicht fest. Das Mädchen lebt jetzt bei einer Pflegefamilie in Attendorn, es soll ihm besser gehen.
Quelle:
- Sprecherin des Landgerichts Siegen
- Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen