Anfang Juni war das Durchfahrtsverbot verhängt worden: Lkw ohne triftigen Grund für eine Durchfahrt dürfen seidem nicht mehr nach Lüdenscheid. Um den Effekt zu beurteilen, hat die Stadt an vier Stellen in Lüdenscheid Messgeräte aufgestellt und die vorbeifahrenden Lastwagen gezählt: Vor dem Verbot waren noch rund 11.199 Lkw pro Tag durch die Stadt gefahren, nach der Sperrung noch 6.637.
Das Ergebnis der städtischen Zählung ist noch beeindruckender als die erste Schätzung, die die Polizei eine Woche nach Einführung des Lkw-Fahrverbotes veröffentlicht hatte. Bei Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer ist die Freude entsprechend groß.
Die Zahlen sprächen eine deutliche Sprache, so Wagemeyer. Das Lkw-Durchfahrtsverbot sei das richtige Instrument, um die schwierige Verkehrssituation nach der Vollsperrung der A45 zu entschärfen und die Menschen in Lüdenscheid zu entlasten.
Erhoffte Ruhe noch nicht eingetreten
Und trotzdem: Anwohnerin Nicole Hellwig zieht ein durchwachsenes Fazit. Der Stau auf dem Weg zur Arbeit sei besser geworden. Durch die fehlenden Lkw gehe es aber immerhin etwas besser voran, sagt Hellwig. Beim Lärm ist sie pessimistischer: "Die Lautstärke ist definitiv geblieben."
Vor dem Fahrverbot hatten Nicole Hellwig und ihre Familie seit anderthalb Jahren keine Ruhe. Sie wohnen direkt an der Autobahnanschlussstelle Lüdenscheid-Nord. Ab dort ist die Autobahn wegen der maroden Rahmedetalbrücke komplett gesperrt, dort fährt der Verkehr in die Stadt. "Wir haben das Schlafzimmer direkt an der Zufahrt. Bei so einem Wetter können Sie das Fenster natürlich nicht zumachen. Und dann nachts schlafen… ist nicht."
Polizeikontrollen an den Ortseingängen
Rund 900 Lkw täglich haben die Polizeibeamten in den ersten Tagen des Fahrverbots direkt an den Autobahnausfahrten rausgewinkt und kontrolliert. Jeden tag mussten sie etwa 160 Fahrzeuge abweisen, weil sie die Bedingungen für eine Einfahrt nicht erfüllten und keine Ausnahmegenehmigung hatten. Viele andere Fahrer fuhren ihre Routen seitdem von vornherein ohne Ortsdurchfahrt in Lüdenscheid.
Eine spürbare Belastung ist das Durchfahrtsverbot deshalb für die Spediteure in der Region. Wer zum Beispiel, wie offiziell empfohlen, von Hagen über die A4 bei Köln nach Siegen fährt, 70 bis 80 Kilometer Umweg. Da suchen sich viele Spediteure Schleichwege über Land. Das seien immer noch bis zu 50 Kilometer Umweg und bis zu 80 Euro Mehrkosten pro Richtung, sagt ein Spediteur aus Hagen im WDR-Interview. Geld, das ihm kein Kunde zusätzlich gebe.
Die Nachbarstädte: Mehr LKW unterwegs
Auf den Umleitungen verlagere sich das Problem mit dem hohen Lkw-Aufkommen nun auch auf andere Städte, sagt der Spediteur. Zum Beispiel auf Breckerfeld und Kierspe, beide liegen auf dem Weg, wenn ein Lkw-Fahrer das Lüdenscheider Durchfahrtsverbot möglichst nah umfahren möchte.
Tatsächlich bestätigen die Bürgermeister beider Städte auf WDR-Anfrage: Sie haben den subjektiven Eindruck, dass seit Beginn des Lkw-Durchfahrtsverbotes in Lüdenscheid mehr Lkw in ihren Städten unterwegs seien. Beide möchten in den nächsten Wochen den Verkehr zählen lassen. Sollte dabei herauskommen, dass das Lkw-Aufkommen über ein erträgliches Maß hinaus gestiegen ist, erwägen auch sie Maßnahmen bis hin zu eigenen Lkw-Durchfahrtsverboten in ihren Städten
Über dieses Thema berichtet der WDR am 19.06.2023 und 13.07.2023 in der "Lokalzeit Südwestfalen".