War Prigoschin an Bord des abgestürzten Flugzeugs? | sv

00:33 Min. Verfügbar bis 23.08.2025

Prigoschin an Bord? Putin äußert sich erstmals zu Flugzeug-Absturz

Stand: 24.08.2023, 20:20 Uhr

In Russland ist am Mittwoch ein Privatflugzeug abgestürzt. Mittlerweile sagt auch Staatspräsident Putin indirekt: Unter den Toten soll Jewgeni Prigoschin sein, Chef der russischen Söldnertruppe Wagner.

Beim Absturz eines Privatjets in Russland sind zehn Insassen ums Leben gekommen. Auch der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, könnte darunter sein - sein Name stand auf der Passagierliste, wie die russische Luftfahrtbehörde Rosawiazija am Mittwoch mitteilte. Mittlerweile spricht auch Russlands Präsident Wladimir Putin indirekt vom Tod Prigoschins.

Ist Prigoschin wirklich tot?

Putin kondolierte bei einer im Fernsehen übertragenen Sitzung den Familien der gestorbenen Flugzeug-Insassen. Er habe die Wagner-Männer an Bord gelobt, berichtet Ina Ruck, Moskau-Korrespondentin vom WDR. Putin habe über sie gesagt: "Die haben uns geholfen bei der Bekämpfung des Nazi-Regimes - so sagt er das wörtlich - in der Ukraine. Man werde das nicht vergessen."

Korrespondentin Ina Ruck

Ina Ruck, ARD-Moskau-Korrespondentin

Über Prigoschin habe Putin in der Vergangenheit gesprochen, so Ruck. "Es sei ein Mann mit komplizierter und schwieriger Vergangenheit", habe der Präsident über den Wagner-Chef gesagt. Und weiter: "Er habe viele Fehler gemacht im Leben, aber habe auch viel Gutes erreicht, auch für Russland."

Im Telegram-Kanal Grey Zone, der der Söldnergruppe Wagner zugeschrieben wird, wird es noch deutlicher: Prigoschin seit tot, heißt es dort.

Jewgeni Prigoschin meldet Beginn des Abzugs aus Bachmut, Mai 2023

Jewgeni Prigoschin im Mai 2023 in Bachmut in der Ukraine.

Ob Prigoschin bei dem Flugzeug-Absturz tatsächlich ums Leben kam, ist aber weiterhin unsicher. Eine Obduktion der Leichen steht noch aus. Eine Verschleierungsaktion, um von der Bildfläche zu verschwinden, kann nicht völlig ausgeschlossen werden.

Das Flugzeug befand sich auf dem Weg nach St. Petersburg. Es soll im Gebiet Twer nordwestlich von Moskau abgestürzt sein.

Außenministerin Baerbock: Vieles sei noch unklar

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wollte sich - Stand Mittwochnachmittag - nicht zum Schicksal des russischen Wagner-Anführers äußern. "Noch immer ist unklar, was genau passiert ist", sagte Baerbock am Donnerstag in Berlin und betonte, dass auf russische Verlautbarungen "kein Verlass" sei.

Klar sei aber, die russische Regierung sei ein "diktatorisches Machtsystem", das auf Gewalt gebaut sei, und deshalb nach Innen wie nach Außen nur Gewalt kenne.

Prigoschin-Kanal nennt Flugzeugabsturz gezielten Abschuss

Der Telegram-Kanal Grey Zone verbreitete derweil die Version, dass der Privatjet gezielt über dem Gebiet Twer von der Flugabwehr abgeschossen worden sei. Um diese Theorie zu stützen, werden Videos gezeigt, in dem ein Flugzeug aus einer Rauchwolke wie ein Stein zu Boden fällt.

Wrackteile eines in Russland abgestürzten Privatjets

Wrackteile des in Russland abgestürzten Privatjets.

Die Nachrichtenagentur AP untersuchte einzelne Bilder der zwei Videos und kam zu dem Schluss, dass die Aufnahmen eine Explosion während des Flugs nahelegen. Anscheinend fehlt dem Flugzeug auch eine Tragfläche, als es zu Boden stürzt. Ein solcher freier Fall passiert in der Regel, wenn ein Flugzeug in der Luft schwer beschädigt wird. Abschließend überprüfbar ist die Behauptung eines Abschusses aber nicht.

Die russische Luftfahrtbehörde teilte mit, der Absturz in der Region Twer nördlich von Moskau werde untersucht. In der ländlichen Gegend gibt es keine Flugplätze, wo die Maschine mit drei Piloten und sieben Passagieren an Bord sicher landen hätte können. Der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge befindet sich die Absturzstelle fast 300 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.

Politologe Meister: Söldnertruppe werde wohl fortbestehen

Politologe Dr. Stefan Meister

Politologe Stefan Meister

Sollte Prigoschin tatsächlich tot sein, werde die Söldner-Truppe Wagner, die unter anderem für Russland gegen die Ukraine kämpfte, wohl trotzdem fortbestehen, glaubt Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Da wird man einfach eine neue Führungsebene sozusagen einbauen", sagte der Politikwissenschaftler bei WDR2. "Da war man im Prinzip schon dabei."

"Es sind Kontraktsoldaten. Die arbeiten für Geld. Also gehe ich davon aus, dass sie auch für eine neue Führung arbeiten werden." Stefan Meister, Politologe

Putin drohte bei Wagner-Revolte mit Vergeltung

Brennendes Flugzeugwrack in der Nähe des Dorfes Kushenkino, Region Twer

Befand sich in diesem Wrack Prigoschin?

Prigoschin hatte im Juni seine Kämpfer zum Marsch auf Moskau aufgerufen, weil die russische Militärführung angeblich einen Angriff auf Wagner-Söldner befohlen hatte. Den Aufstand brach er rasch wieder ab und willigte ein, gemeinsam mit seinen Kämpfern nach Belarus ins Exil zu gehen. Im Gegenzug sollten sie nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Präsident Wladimir Putin hatte den Wagner-Söldnern bei ihrer Revolte vorgeworfen, Russland in den Rücken gefallen zu sein, und Vergeltung angekündigt. Doch bislang schien Prigoschin nicht behelligt zu werden.

Inoffizielle Spezialaufträge in Syrien und Trollfabriken

Die von Prigoschin aufgebaute Söldnertruppe hatte für Russland erst inoffizielle Spezialaufträge in Syrien, später auch in mehreren Staaten Afrikas erfüllt. Im Angriffskrieg auf die Ukraine warb Prigoschin Häftlinge aus russischen Gefängnissen an. Die Truppe erlitt schwere Verluste in den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut.

Prigoschin warf der regulären Militärführung Unfähigkeit und Korruption vor. Er hatte selbst im Gefängnis gesessen und später Karriere als Hoflieferant für den Kreml gemacht, daher rührt sein Beiname "Putins Koch". Er soll auch der Geschäftsmann hinter den Trollfabriken in St. Petersburg gewesen sein, die über soziale Netzwerke Einfluss auf westliche Länder zu nehmen versuchten.

US-Präsident Joe Biden sagte: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich bin nicht überrascht." Eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Adrienne Watson, sagte, man habe die Berichte über den möglichen Tod Prigoschins gehört. Auch sie betonte: "Wenn sie sich bestätigen, sollte niemand überrascht sein."

Mit Material der Agenturen dpa, AFP und AP.

Über dieses Thema berichten wir auch am 24.08.2023 in der "Aktuellen Stunde" im WDR Fernsehen.

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