Ukraine-Wiederaufbau mitten im Krieg: "Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf"

Stand: 24.10.2022, 17:42 Uhr

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hält es für wichtig, mit dem Wiederaufbau der Ukraine bereits jetzt zu beginnen. Vor dem Winter sei es wichtig, dass die Menschen Strom, Wärme und ein Dach über dem Kopf hätten, sagt die SPD-Politikerin im WDR 5-Interview.

WDR: An diesem Montag findet in Berlin das Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum unter dem Motto "Rebuild Ukraine" statt, morgen eine internationale Expertenkonferenz zum Wiederaufbau. Sie wollen sich vorher noch mit der ukrainischen Regierung abstimmen. Worüber?

Svenja Schulze: Wir haben jetzt ja schon sehr viele Mittel zur Verfügung gestellt. Wir reden mit der Ukraine darüber, wie wir die Mittel jetzt ganz konkret einsetzen. Ein großer Bedarf ist zum Beispiel gerade, die Sozialsysteme in der Ukraine zu stärken. Ganz viele können ja zurzeit nicht arbeiten, haben nicht die Möglichkeit, Geld zu verdienen und brauchen deshalb Unterstützung durch den Staat. Und da helfen wir, dieses System zu erhalten.

WDR: Mancher einer mag in Deutschland in sich hineinfragen: Warum wir?

Schulze: Wir machen das ja nicht alleine. Es hilft nicht allein Deutschland der Ukraine. Das ist eine internationale Aufgabe. Das ist ein wirkliches Generationenprojekt. Wir brauchen auch eine internationale Plattform, um das zu koordinieren. Warum wir da alle helfen, ist, weil es ein Krieg ist. Ein Krieg, der auch gegen die Zivilbevölkerung geführt wird. Ganz gezielt werden Einrichtungen zerstört, wird Energie zerstört. Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. Und da helfen wir gerade den Menschen in der Ukraine.

WDR: Die andere Frage, die sich womöglich viele stellen werden, ist: Warum jetzt - während Russland derzeit ganz gezielt ukrainische Infrastruktur zerstört?

Schulze: Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind ja längst dabei, die Minen zu räumen, den Schutt wegzuschaffen, Häuser wieder aufzubauen. Und wir unterstützen sie darin. Weil die Menschen ein Dach über dem Kopf brauchen. Die brauchen Strom. Die brauchen Wärme. Die brauchen Wasserleitungen. Das mit zu unterstützen, das hilft, dass Menschen in der Ukraine bleiben können.

WDR: Sie betonen, dass das morgen keine Geberkonferenz wird. Es wird also nicht um neue Finanzmittel gehen. Es sei eine Expertenkonferenz, um genau das zu klären, was jetzt an dringender Nothilfe wirklich praktisch wäre.

Schulze: Diese Konferenz dient auch dazu, noch einmal miteinander zu diskutieren: Wie kann so ein Marshallplan für die Ukraine eigentlich ausgestaltet werden? Wie schafft man es, über viele, viele Jahre, das Geld zu mobilisieren. Und wie setzt man das Geld auch so ein, dass es eben nicht Korruption befördert. Zum Beispiel, dass es nachhaltig ist, dass es die Schritte der Ukraine in die EU hinein unterstützt. Und das ist alles sehr, sehr kompliziert und gar nicht so einfach auf den Weg zu bringen. Deswegen ist der Rat der Expertinnen und Experten wichtig.

WDR: Wie gehen Sie bei ihren Kontakten mit Regierungsverantwortlichen in Kiew mit der Befürchtung in der EU um, es könnte eine neue Fluchtwelle einsetzen? Gerade jetzt, in den nächsten Wintermonaten, da die Temperaturen deutlicher unter null Grad fallen werden und Menschen ohne Strom und ohne Heizung dasitzen. Ist das für sie gerade die neue Krise in diesem Krieg?

Schulze: Natürlich reden wir darüber, weil die Menschen in der Ukraine bleiben wollen. Ich war vor den Sommerferien gerade erst in der Ukraine. Man sieht, wie dort wieder aufgebaut wird, was die Menschen alles tun, um zu Hause bleiben zu können. Das zu unterstützen ist einfach wichtig, denn die Ukraine ist in einem Krieg. Alles, was die Ukraine dann noch schwächt, muss möglichst vermieden werden. Und deswegen helfen wir einfach, dass die Menschen dort bleiben können.

WDR: Die Ukraine war drauf und dran, der EU in ihrer Energiekrise zu helfen, weil sie bis vor wenigen Wochen noch Strom hätte anbieten können. Also gerade das Gut, dass hier so heftig diskutiert wird. Spielt auch Eigennutz eine Rolle bei allem Hilfewillen - nämlich der Ukraine wieder Möglichkeiten zu schaffen, uns auch zu helfen?

Schulze: Wichtig ist erstmal, dass wir die Ukraine darin unterstützen, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben, dass sie Wärme haben, dass sie Strom haben. Das ist gerade in der jetzigen Situation wichtig, wo Putin gezielt einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung führt. Er greift gezielt die Infrastruktureinrichtungen an. Er greift gezielt Kraftwerke an, um die Ukraine zu schwächen. Er merkt, dass er militärisch nicht weiterkommt und versucht jetzt die Bevölkerung zu demoralisieren. Damit wird er nicht durchkommen. Und da ist die ganze Weltgemeinschaft aufgefordert, zu helfen.

Das Interview führte Uwe Schulz am 24.10.22 im WDR 5-Morgenecho. Es wurde für die schriftliche Fassung sprachlich leicht bearbeitet.

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