Andrang auf den Nordrhein-Westfalen-Flughäfen am dritten Ferienwochenende

Warum türkische Saisonarbeiter an deutschen Flughäfen noch nicht einsatzbereit sind

Lange Schlangen an deutschen Flughäfen sind mittlerweile der Normalfall. Um dem ein Ende zu setzen, sollen türkische Saisonarbeiter eingesetzt werden. Dem Vorhaben stehen aber noch einige Hindernisse im Weg.

Doppelt so viele Menschen wie eigentlich angefordert haben sich bisher auf die auf maximal drei Monate begrenzten Saisonjobs in Deutschland beworben, das sagt die einzig zuständige Vermittlungsagentur Inflight Services aus der türkischen Metropole Istanbul auf WDR-Anfrage.

Doch weil viele unter ihnen kein Deutsch sprechen, kommen sie für die Stellen an deutschen Flughäfen nicht in Frage. Ikbal Yigitalp, die Chefin der Agentur, hat deshalb schon vorgesorgt: "Wir haben im Vorfeld von diesem deutschen Vorhaben erfahren und Interessierten Bescheid gegeben. Deswegen haben viele schon Deutschkurse belegt", sagt sie. "Aber ob und wie erfolgreich sie diese Kurse dann abschließen, muss sich noch zeigen."

Vermittlung ist teuer

Am Düsseldorfer Flughafen scheint die Idee, türkische Saisonarbeitende anzuwerben, bereits vom Tisch. Ein Grund ist, dass die Prozesse zu lange dauern. Ein weiterer, dass besagte Vermittlungsagentur eine Gebühr von 5.000 Euro pro Kraft verlange. Das sagte ein Sprecher des dort größten Dienstleisters für Gepäck, Boarding und Check-In dem WDR. Hinzu kämen Kosten für die Unterbringung der Arbeitenden.

Wertvolle Zeit vergangen

Einige Wochen zuvor hatten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die geplanten rund 2.000 türkischen Saisonarbeiter noch als Rettung für einen reibungslosen Ferienflugverkehr verkauft. Wissing sprach von "tatkräftigen Menschen, die jetzt hier herkommen und diese Aufgaben übernehmen".

Gebraucht wird laut Thomas Richter vom Arbeitgeberverband der Bodenabfertigungsdienstleister im Luftverkehr (ABL) allerdings nur noch die Hälfte der Leute. Bis die Politik sich entschieden habe zu helfen, sei wertvolle Zeit vergangen. Die meisten der Saisonarbeiter werden in der Branche erst Mitte August oder Anfang September erwartet. Dann sind die Sommerferien in den meisten Bundesländern schon so gut wie vorbei und der Bedarf an den Flughäfen nicht mehr ganz so groß.

"Es ist natürlich eine Ad-hoc-Aktion, die nicht wirklich hilft." Herbert Brücker, Arbeitsmarktforscher
Herbert Brücker

Prof. Herbert Brücker, Arbeitsmarktforscher

Das spontane Anwerben von türkischen Saisonarbeitern sei "natürlich eine Ad-hoc-Aktion, die nicht wirklich hilft", sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesarbeitsagentur dem WDR. Man müsse sich in die Perspektive der Menschen versetzen, die man jetzt nach Deutschland holen möchte. "Da braucht man eine längere Aufenthaltsperspektive." Daran fehle es derzeit noch.

Lückenlose Nachweise erforderlich

Zwar sollen die Saisonarbeiter laut dem ABL ausschließlich für das Verfrachten der Koffer eingesetzt werden. Die Zuverlässigkeitsprüfung ist dennoch Pflicht für das Arbeitsvisum. Darunter fällt auch, was die türkischen Bewerberinnen und Bewerber in den vergangenen fünf Jahren gemacht oder gearbeitet haben. Eine Lücke von mehr als vier Wochen ist aus Sicherheitsgründen nicht erwünscht. Für Saisonarbeiter-Chefvermittlerin Yigitalb ist das eine weitere Hürde, denn nicht jede Auszeit wird in der Türkei erfasst. 

"Ich habe mitbekommen, dass man es in Deutschland melden muss, wenn man mehr als vier Wochen arbeitslos ist. Aber, weil das System in der Türkei anders ist, besprechen wir gerade mit unseren deutschen Geschäftspartnern, wie das geregelt werden soll", erklärt Ikbal.

Ohnehin keine Dauerlösung

Eine Einigung, wie mit den Lücken im Lebenslauf verfahren werden soll, gibt es noch nicht, ebenso wenig wie eine Verlängerung der Außnahmegenehmigung für die Arbeitskräfte, die nur bis zum sechsten November gilt.

Matthias von Randow vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft sieht in der versuchten Rettung der Sommerferien durch türkische Saisonarbeitskräfte ohnehin keine Dauerlösung. Damit es auch nach der Unterstützung aus der Türkei keine weiteren Personalengpässe an den Flughäfen gibt, fordert er, wie von der Ampelkoalition versprochen, ein einfacheres Einwanderungsgesetz. 

Zu spät für NRW

Bis die ersten Saisonarbeiter an den Gepäckbändern der NRW-Flughäfen loslegen können, wird es also noch dauern. Die meisten Reisekoffer in NRW werden dann längst wieder zu Hause im Schrank verstaut sein.