CO2-Ausstoß auf Tiefstwert

02:29 Min. Verfügbar bis 04.01.2026

Deutlicher Rückgang an Treibhausgasen: Das sind die Gründe

Stand: 04.01.2024, 10:51 Uhr

In Deutschland wurden 2023 nach einer neuen Schätzung 673 Millionen Tonnen CO2 produziert - deutlich weniger als zuvor. Gut fürs Klima. Aber die Zahl hat einen Haken.

Von Jörn SeidelJörn Seidel

Heizen, Auto fahren und Kleidung kaufen - in unserem Alltag verursachen wir reichlich klimaschädliche Treibhausgase. Aber auch die Industrie stößt kräftig CO2 aus, besonders die energieintensiven Unternehmen, von denen es in NRW sehr viele gibt. Vor allem an der Wirtschaft liegt es nun offenbar, dass die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland im Jahr 2023 deutlich zurückgegangen sind.

Treibhausgase: 2023 so wenig Ausstoß wie lange nicht mehr

Das sagt die Denkfabrik und Lobby-Organisation Agora Energiewende. An diesem Donnerstag veröffentlicht sie ihre jährliche Schätzung zu den ausgestoßenen Treibhausgasen im vergangenen Jahr - dem ARD-Hauptstadtstudio liegen die Zahlen bereits vor. Demnach ist der Ausstoß an Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) und Methan in Deutschland auf dem niedrigsten Stand seit den 1950er-Jahren.

673 Millionen Tonnen an Treibhausgasen (umgerechnet in CO2-Äquivalenten) sind in Deutschland im vergangenen Jahr ausgestoßen worden, so die Schätzung. Das sind 46 Prozent weniger als im Jahr 1990, das immer als Vergleichsjahr für den Rückgang herangezogen wird. Und es sind fast zehn Prozent weniger als im Vorjahr.

Die offiziellen Zahlen des Umweltbundesamtes folgen erst im März. Sie unterscheiden sich in der Regel aber kaum von den Agora-Schätzungen.

Agora: Ausstoß an Treibhausgasen könnte wieder steigen

Grund für den Rückgang ist unter anderem weniger Nachfrage nach Strom - und daher auch weniger Verbrauch von Kohle. Hinzu kommt, dass mehr Strom mit erneuerbarer Energie wie Windkraft und Solar erzeugt wurde. Aber: Der niedrige Stromverbrauch kommt laut Agora auch von einer relativ geringen Industrie-Produktion im vergangenen Jahr.

Deshalb sei nur ein kleiner Teil des Rückgangs an Treibhausgas-Emissionen wirklich nachhaltig, so die Organisation. Der Ausstoß könnte wieder steigen, wenn die Industrie wieder mehr Aufträge bekommt.

Ungewollt schwächelnde Industrie-Produktion auch in NRW

Tatsächlich ist das vergangene Jahr für viele Industrie-Unternehmen in Deutschland gemessen an der Produktion kein besonders gutes gewesen. Das gilt zum Beispiel für den Essener Stahl-Riesen Thyssenkrupp, den Leverkusener Chemie-Konzern Bayer oder die zahlreichen nordrhein-westfälischen Papierhersteller - allesamt energieintensive Unternehmen, die für viele klimaschädliche Treibhausgase verantwortlich sind.

Stahlkocher am Hochofen im Hüttenwerk von ThyssenKrupp in Duisburg

Stahlkocher am Hochofen im Hüttenwerk von Thyssenkrupp in Duisburg

Das lasse sich so schnell auch nicht ändern, gibt ein Sprecher von Thyssenkrupp Steel im Gespräch mit dem WDR zu bedenken. Zwar nutze man im Unternehmen "alle Möglichkeiten", um den Energieverbrauch zu drosseln. So gebe es zum Beispiel in Duisburg seit Kurzem eine Mikro-Dampfturbine, um Dampf aus der Stahlherstellung in Strom zu verwandeln.

Der Ausstoß an Treibhausgasen werde sich aber erst dann deutlich reduzieren, wenn es gelingt, die Stahlproduktion auf grünen Wasserstoff umzustellen, so der Thyssen-Sprecher. Bis dahin sei es noch ein weiter Weg.

Bayer sieht sich selbst nicht mehr als energie-intensives Unternehmen, so ein Sprecher auf Nachfrage. Außerdem wolle der Konzern die eigenen Treibhaus-Emissionen weltweit bis 2029 um 42 Prozent senken, das Vergleichsjahr sei 2019. Offizielle Zahlen für das vergangene Jahr will Bayer bis Ende Februar veröffentlichen, heißt es.

Agora: Teile der Produktion ins Ausland verlagert

Agora Energiewende sieht aber auch noch einen anderen Grund für den Rückgang an Treibhausgas-Emissionen: So hätten Unternehmen noch weitere Teile ihrer Produktion als ohnehin schon ins Ausland verlagert, sodass der Ausstoß an Treibhausgasen nur verschoben worden sei.

Sorgen bereitet Agora auch der weiterhin hohe Ausstoß an Treibhausgasen in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Beide Sektoren seien deutlich hinter den Zielen der Bundesregierung zurückgeblieben.

Insgesamt will die Bundesregierung den Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland bis 2030 auf 438 Millionen Tonnen reduzieren. 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Und nach 2050 sollen sogar negative Treibhausgas-Emissionen erreicht werden, wie es im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschrieben ist. Ziele, für die noch viel zu tun ist.

Unsere Quellen:

  • Organisation Agora Energiewende, nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios
  • Umweltbundesamt
  • Bundes-Klimaschutzgesetz
  • Sprecher von Thyssenkrupp im Gespräch mit dem WDR
  • tagesschau.de zur Bayer AG
  • Verband Die Papierindustrie

Über dieses Thema berichten wir am 04.01.2024 auch in den Hörfunknachrichten, unter anderem bei WDR 5.