EU leitet Verfahren gegen TikTok ein - Plattform reagiert
Stand: 24.04.2024, 18:06 Uhr
Videos schauen und dafür bezahlt werden: Wegen der möglichen Suchtgefahr für Minderjährige hat die EU-Kommission der Videoplattform TikTok mit einer Blockade seiner neuen Belohnungsfunktion gedroht. TikTok reagierte und setzte die Version freiwillig aus.
Die chinesische TikTok-Mutter ByteDance hat eine neue App in der EU eingeführt: TikTok Lite. User sollen damit virtuell Geld verdienen können. Die EU-Kommission hat jedoch große Bedenken, was den Jugendschutz und die Suchtgefahr angeht. Daher hat sie ein Verfahren gegen die Online-Plattform eröffnet - wegen der "Gefahr schwerer Schäden für die psychische Gesundheit der Nutzenden", wie die Kommission am Montag mitteilte.
Besonders beunruhigt sei man über das Aufgaben- und Belohnungsprogramm. Dieses ermögliche es den Nutzern, Punkte zu sammeln, wenn sie bestimmte Aufgaben erfüllen - wie das Ansehen von Videos oder die positive Bewertung von Inhalten. Dies könne süchtig machen und sei besonders besorgniserregend für Kinder, da nicht erkennbar sei, dass das Alter der Nutzer wirksam überprüft werde.
TikTok setzt Belohnungsfunktion aus
Und die Plattform reagierte. TikTok setzt die Version vorerst aus. "TikTok ist stets bestrebt, konstruktiv mit der EU-Kommission und anderen Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten", verkündete der chinesische Konzern am Mittwoch auf X. "Daher setzen wir die Belohnungsfunktionen in TikTok Lite freiwillig aus, während wir die von ihnen geäußerten Bedenken ausräumen."
Was ist TikTok Lite?
TikTok Lite ist eine abgespeckte Version der Haupt-TikTok-App und ist vor allem für langsame Internetverbindungen und ältere Handys gedacht. Sie ist in der EU bislang nur in Spanien und Frankreich verfügbar.
Wer Videos schaut und liked oder Freunde einlädt, wird dafür mit digitalen Münzen belohnt. Die können dann etwa gegen Amazon-Gutscheine oder PayPal-Geschenkkarten eingetauscht werden.
Laut mehrerer Medienberichte soll die tägliche Bildschirmzeit fürs Geldverdienen begrenzt sein - auf eine Stunde pro Tag. Auch die täglichen Prämien und Auszahlungen sollen begrenzt sein.
Welche Kritik gibt es an TikTok Lite?
Tiktok steht in Verdacht, dass es ein großes Suchtpotenzial hat. Denn: Wie auch andere Soziale Netzwerke ist es eine Datenkrake. Die App merkt sich, wann Nutzer hängen bleiben, und zeigt dann immer wieder neue, verwandte Clips an.
Ein geleaktes Dokument in der New York Times zeigt: TikTok macht das bewusst und setzt durch seinen Algorithmus auf immer neue Click- und Seh-Reize für die User.
Jennifer Repp, Mitarbeiterin beim WDR-TikTok-Kanal "nicetoknow"
"TikTok Lite kann diese Reize noch einmal erhöhen", sagt Jennifer Repp vom WDR-TikTok-Kanal "nicetoknow". Denn bisher können nur die großen Content Creator und Influencer mit TikTok Geld verdienen. "Jetzt kann ich das auch als normaler User. Vor allem für Jüngere klingt das sehr verlockend", so Repp.
Zwar gilt: Wer sich anmeldet, muss mindestens 18 sein. "Ich bezweifle aber, dass man plötzlich bei TikTok seinen Personalausweis vorzeigen muss", erläutert die Expertin. Denn schon jetzt könne man Fake-Identitäten angeben.
Warum geht die EU gegen TikTok vor?
Trotz der Risiken im Zusammenhang mit der suchterzeugenden Wirkung habe TikTok die neue Funktion "ohne wirksame Maßnahmen zur Risikominderung" auf den Markt gebracht, teilte die EU-Kommission mit. Brüssel sei bereit, "Maßnahmen einschließlich der Aussetzung der TikTok-Lite-Funktionen" zu verhängen, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
TikTok unterliegt als besonders großer Online-Dienst einer verschärften Regulierung im Rahmen des europäischen Digital Services Act (DSA). Dieser verbietet unter anderem sogenannte "Dark Patterns", also manipulative Praktiken, mit denen Kunden auf den Plattformen gehalten oder zu Käufen animiert werden.
Daneben verpflichtet das Gesetz Internet-Konzerne dazu, ein Risikomanagement einzurichten sowie verstärkt gegen Hass und Hetze im Internet vorzugehen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
Gegen Tiktok läuft bereits ein Verfahren wegen möglicher Suchtgefahren für Minderjährige auf seiner Standard-Plattform.
Quellen:
- Nachrichtenagentur AFP
- Nachrichtenagentur Reuters
- Nachrichtenagentur dpa
- Pressemitteilung EU-Kommission
- Online-Bericht "Le Monde"
- Online-Bericht der BBC
- WDR-Mitarbeiterin Jennifer Repp vom TikTok-Kanal "nicetoknow"