Fast 30.000 Neuinfektionen, fast 600 Todesfälle: So hoch wie am Freitag waren die Corona-Zahlen in Deutschland noch nie. Ein Teil des hohen Anstieges hängt zwar offenbar mit einem Übertragungsfehler der NRW-Gesundheitsämter an das Robert Koch-Institut zusammen: Circa 1.500 Fälle vom Mittwoch konnten am Donnerstag nicht gemeldet werden und gingen erst am Freitag in die Statistik ein. Dennoch: Die Zahlen sind so hoch, dass immer mehr Bundesländer Maßnahmen ergreifen.
Laschet: "Echter Lockdown unbedingt nötig"
Auch in NRW sollen bald strengere Maßnahmen gelten. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kündigte am Freitag an, die Präsenzpflicht in den Schulen aufzuheben. Ab kommenden Montag könnten Eltern ihre Kinder vom Unterricht befreien lassen, diese sollten dann zu Hause lernen.
Bei Schülern der unteren Jahrgänge bis Stufe sieben haben die Eltern die Wahl, ob die Kinder in der Schule oder von zu Hause aus am Unterricht teilnehmen. Für ältere Schüler ab Klasse acht wird das Lernen vollständig auf Distanz umgestellt. Das kündigte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag an. Zudem werden die Weihnachtsferien in NRW bis zum 8. Januar verlängert.
Ansonsten will Laschet sich mit den anderen Länderchefs sowie der Bundesregierung abstimmen und regte an, bereits am Samstag eine entsprechende Konferenz abzuhalten. Er fordert, der "Lockdown" solle "schnellstmöglich" beginnen, wollte aber noch kein Datum nennen. Hier müssten sich die Länder einigen. Als Maßnahmen nannte er die Schließung großer Teile des Einzelhandels sowie eine Aufhebung der Kontakterleichterungen an den Feiertagen. Man solle zurückkehren zum Prinzip "Fünf Personen aus maximal zwei Hausständen".
Laschet fordert einheitliche Linie der Länder
Laschet ist nicht der einzige Ministerpräsident, der eine einheitliche Linie der Länder fordert. Das scheint auch nötig, denn derzeit beschließt jedes Bundesland eigene Maßnahmen, die noch dazu zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraf treten: In Sachsen haben ab kommenden Montag Schulen, Kitas und die meisten Geschäfte geschlossen. In Thüringen sollen die Geschäfte mit Ausnahme von Lebensmittel- und Grundbedarfsläden ab kommendem Samstag schließen. In Niedersachen wird ab Montag die Schulpflicht ausgesetzt. In Bayern gilt bereits seit Mittwoch eine strengere Regelung mit Ausgangsbeschränkungen.
Die Folge dieses föderalen Flickenteppichs sieht man zum Beispiel bei den Geschäftsschließungen: Um Shoppingtourismus in angrenzende Bundesländer zu verhindern, soll in Sachsen ab Montag Einkaufen nur in einem Radius von 15 Kilometern möglich sein. Wie genau das geregelt und überprüft werden soll, bleibt offen.
"Massive Einschnitte" vom 20. Dezember bis 10. Januar
Wann genau kommt aber der "schnellstmögliche Lockdown", den Laschet fordert? Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister, ist Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und hat schon genaue Vorstellungen, wie die nächsten Wochen aussehen könnten. Er gehe von "massiven Einschnitten" vom 20. Dezember bis zum 10. Januar aus, sagte er am Donnerstag im ZDF. Das hätten Besprechungen mit den anderen Bundesländern ergeben. Am Wochenende wollen Bund und Länder konferieren und Klarheit schaffen.
Seehofer fordert sofortigen "Lockdown"
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist ebenfalls dagegen, mit dem "Lockdown" bis nach Weihnachten zu warten. "Die einzige Chance, wieder Herr der Lage zu werden, ist ein Lockdown, der aber sofort erfolgen muss", sagte er dem "Spiegel". "Warten wir bis Weihnachten, werden wir noch Monate mit den hohen Zahlen zu kämpfen haben."