Für Armin Laschet sind es harte Tage: In NRW steht er als Ministerpräsident für sein unstetes Pandemie-Management seit Monaten in der Kritik. Zuletzt sorgte sein Vorschlag eines "Brücken-Lockdowns" für viel Aufregung, für Häme und Spott. Dabei sollte es entschlossen und kühn klingen - und entsprach im Übrigen genau der Forderung nahezu aller namhaften Wissenschaftler und Mediziner: Ein kurzer, harter Lockdown muss sein.
Deren Drängen bereits vor Ostern, dazu die Feiertage und Schulferien zu nutzen, schien Laschet dann wieder zu gewagt. Zu groß vermutlich die Furcht, sich als Stimmungsbremse noch mehr Zuspruch bei Wirtschaft und Bevölkerung zu verspielen.
Gegen den Chor der Kritiker bekam Laschet dann auch nur von einigen wenigen CDU-Ministerpräsidenten Unterstützung. Sodass er am Mittwoch vor Journalisten schon wieder so weit war, zu sagen: "War ja nur ein Vorschlag." Die anderen könnten ja auch mal Vorschläge machen.
Plötzlich doch mehr Zustimmung
Und jetzt? Kommt plötzlich doch mehr Zustimmung. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, die Analyse von Armin Laschet zur Lage der Pandemie sei richtig. Auch mit seiner Forderung, dass die Minister und die Kanzlerin früher als erst am Montag zusammenkommen, habe Laschet Recht.
Plötzlich springt ihm auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bei. Und die Kanzlerin: Auf die Frage, wie Angela Merkel (CDU) Laschets Vorschlag bewerte, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin, es gebe im Moment bei den Corona-Neuinfektionen keine gute Datenbasis, die Zahl der belegten Intensivbetten spreche aber eine sehr deutliche Sprache. Deswegen sei "jede Forderung nach einem kurzen, einheitlichen Lockdown richtig" - auch bundeseinheitlich.
Die Vielfalt der beschlossenen Regeln trage derzeit "nicht zur Sicherheit und zur Akzeptanz bei", sagte die Sprecherin im Namen der Kanzlerin weiter. Allerdings: Für vorgezogene Beratungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin gebe es im Moment "erkennbar keine Mehrheit". Laschets Aufruf wird also folgenlos verhallen.
Über allem die K-Frage
Das alles wäre als Schicksal eines von 16 Ministerpräsidenten zu sehen - wenn Laschet nicht gleichzeitig Bundesvorsitzender der CDU wäre - und sich als Kanzlerkandidat ins Spiel gebracht hätte. Die Frage "Wird es Söder oder Laschet" überlagere in Berlin mittlerweile sämtliche Pandemiethemen, sagt WDR-Hauptstadtkorrespondent Philipp Menn: "Der Druck ist gewaltig."
Für Sonntag ist ein Treffen zwischen Söder, Laschet und Merkel geplant. Ob dort die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten fällt, kann nur spekuliert werden. Schaut man auf die derzeitigen Umfrageergebnisse, sprechen die klar für Söder als Kanzlerkandidat der Union.
So einfach sei es aber nicht, sagt Philipp Menn, die Sache habe weitaus mehr Facetten: Passt Söder zum Programm der CDU/CSU? Wäre er überhaupt teamfähig? Darüberhinaus habe Laschet einen guten Draht zum möglichen Koalitionspartner FDP - was man von Söder nicht behaupten kann. Und schließlich gebe es in den Unionsparteien auch Zweifel angesichts der "bayerisch-besserwisserischen Art" Söders.
Beim Besuch einer Drive-in-Impfstation in Schwelm verteidigte sich Laschet am Mittwoch gegen die Kritik der letzten Tage. Er frage sich: "Was sind denn eure Ideen?" Eine nächste Ministerpräsidentenrunde erst am Montag sei für den Schulstart zu spät. Es könne jetzt keine gemeinsame Lösung mehr geben, nur individuelle für jedes Land, sagte Laschet.
Tests in Schulen: Klappt es diesmal?
Mit dem Argument könnte Laschet dann demnächst auch erklären, warum seine jüngste Ankündigung möglicherweise wieder nicht umgesetzt wird: Zur Öffnung der Schulen am Montage werde es verpflichtende Tests für alle Schüler geben, zweimal pro Woche, sagte er. "Wir werden die Testpflicht in den Schulen ab nächster Woche haben", und: "Schule kann nur öffnen, wenn überall das Testen funktioniert."
Zwei Tests pro Woche in den Schulen sollte es früheren Ankündigungen zufolge längst geben. Doch nachdem die Tests zu spät bestellt worden waren, wurde an vielen Schulen bis zu den Osterferien nichts daraus. Dass das System ab Montag steht, bezweifeln viele.
In der Bevölkerung - das zeigen zahlreiche Kommentare in den sozialen Medien - ist die Empörung groß darüber, dass existenziell wichtige Entscheidungen in der Pandemie vom Säbelrasseln im Wahlkampfgetöse übertönt werden. "Ich hätte mir gewünscht,", so Brinkhaus im Deutschlandfunk, "dass man sich mehr mit der Sache beschäftigt und weniger damit, ob das jetzt nun jemandem, der was Richtiges sagt, schadet, dass er das gesagt hat - oder nicht gesagt hat."
Update: Am Freitagabend (09.04.2021) veröffentlichten rund 50 Bundestagsabgeordnete der CDU eine gemeinsame Erklärung, in der sie ein Mitspracherecht bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur fordern. Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur heißt es darin: "Als Mitglieder einer selbstbewussten CDU/CSU-Bundestagsfraktion erwarten wir, dass, bevor eine Festlegung dieser Tragweite verkündet wird, in einer parteiübergreifenden Fraktionssitzung von CDU und CSU darüber diskutiert und im Zweifel auch dort entschieden wird."