Sie haben kryptische Bezeichnungen aus Buchstaben und Zahlen: BA.2.75.2 zum Beispiel. Oder BQ.1.1. Dahinter verbergen sich Sublinien der Omikron-Variante des Coronavirus. Solche Erreger drohen der Herbstwelle weitere Wucht zu verleihen, wie einige Forscher warnen.
Denn manche dieser Varianten weisen ein derart verändertes Erbgut auf, dass sie Antikörpern von Geimpften und Genesenen besser entgehen können als die bisher vorherrschenden Varianten. Dadurch könnten sie sich schneller verbreiten.
Anteil von BA.2.75 in Deutschland gering
In bisherigen Daten zu hierzulande entdeckten Virusvarianten spiegeln sich diese Befürchtungen noch kaum wider, wie der Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Donnerstagabend zeigt.
Die aktuellsten darin enthaltenen Daten zu nachgewiesenen Varianten beziehen sich auf vorvergangene Woche: Zu dem Zeitpunkt zeigte eine Stichprobe, dass nach wie vor die Omikron-Sublinie BA.5 das Geschehen bestimmt. Seit Wochen liegen deren Anteile bei 95 bis 97 Prozent. Bei der Sublinie BA.2.75 und Abkömmlingen davon ist laut RKI zwar seit Juni weltweit eine zunehmende Ausbreitung beobachtet worden. Noch immer liegt der Anteil in der Stichprobe für Deutschland aber bei weniger als 1 Prozent.
Experten sehen große Vielfalt an Varianten
Auch wenn lange keine ganz neue, als besorgniserregend eingestufte Variante mehr aufgekommen ist: Das Virus mutiert weiter. Aber anders als zu Beginn. Der Spezialist für Virus-Evolution Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel spricht in einem von seiner Uni veröffentlichten Interview von einer eher allmählichen Entwicklungsdynamik, die interessanter sei als die großen Sprünge, die das Virus zuvor gemacht habe.
Man habe mittlerweile eine bisher nicht gekannte Vielfalt an Varianten aus unterschiedlichen Zweigen des Omikron-Stammbaums, wurde der britische Virologe Tom Peacock kürzlich in einem "Nature"-Artikel zitiert. Auffällig: Unabhängig voneinander entwickelten viele dieser Omikron-Nachkommen die gleichen Mutationen des Spike-Proteins. Das ist die Stelle, mit der das Virus menschliche Zellen entert.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte, dass es aktuell 300 Subvarianten gebe, die beobachtet würden. Egal, welche Variante komme: Die WHO erklärt wie immer, dass es Werkzeuge gebe, um mit dem Virus umzugehen. Diese müssten nur angewendet werden: zum Beispiel mehr impfen, Maske wo nötig, Abstand halten, lüften.
Infektionszahlen in NRW steigen weiter
Die Zahl positiv getesteter Menschen steigt derweil weiter kräftig. Die Sieben-Tage-Inzidenz erhöhte sich am Freitag auf 465,0 - nach einem Wert von 395,9 am Vortag, wie das RKI mitteilte. Aktuell liegt NRW aber nach wie vor klar unter dem bundesweiten Wert, der am Freitagmorgen mit 577,5 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche angegeben wurde.
Allerdings liefern die Angaben nur ein sehr unvollständiges Bild der Infektionszahlen. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus - vor allem weil bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Und nur diese Testergebnisse fließen in die Bemessung vom RKI ein.
Genaues Infektionsgeschehen unklar
In der Praxis melden sich Infizierte oft bei ihren Hauärzten und kümmern sich so um eine Krankschreibung. "Was sie dann letztendlich für Tests machen, das bleibt den meisten Menschen selbst überlassen", heißt es etwa vom Wuppertaler Arzt Andre Altermann.
Viele Mediziner sprechen sich deswegen auch wieder für eine Ausweitung von kostenlosen Coronatests aus: "Die Einschränkungen bei den Testmöglichkeiten ist vielleicht doch ein Fehler gewesen", sagt Volker Heiliger von der Ärztekammer Westfalen-Lippe.
Wieder mehr Covid-Patienten im Krankenhaus
Auch die Krankenhäuser in NRW verzeichnen wieder mehr Covid-Patienten. "Die Herbstwelle kommt jetzt schneller, als wir das vielleicht vermutet haben", sagt der Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW, Hilmar Riemenschneider. Bei den meisten Patienten werde die Corona-Infektion aber eher zufällig festgestellt - etwa im Rahmen anderer Untersuchungen. Schwere Verläufe seien deutlich seltener als noch im vergangen Herbst.
Auch auf den Intensivstationen sei die Lage weitestgehend entspannt. Ähnliches berichtet auch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). So gebe es derzeit anteilig an den Covid-19-Erkrankten deutlich weniger Schwerkranke als vor einem Jahr. Zusätzlich gebe es etwa Medikamente, die bei hohem Risiko früh verabreicht werden können.