Die Bundeswehr hat bei einer Evakuierungsaktion seit Sonntagabend schon hunderte Menschen aus dem Sudan ausgeflogen. Wie läuft die Rettungsmission ab, die möglicherweise noch bis Ende Mai dauern wird? Wer wird gerettet? Und worum geht es in dem Konflikt im Sudan eigentlich? Hier gibt es Antworten:
Wie läuft die Rettungsmission der Bundeswehr ab?
Seit Beginn der Kämpfe im Sudan am 15. April hat sich dort die Sicherheitslage auch für Ausländer drastisch verschlechtert. Botschaften und diplomatische Einrichtungen werden angegriffen, der zivile Flugverkehr ist ausgesetzt. Die Bundesregierung hat eine diplomatische Evakuierungsmission gestartet. Der Einsatz wird von einem Luftstützpunkt im jordanischen Al-Asrak koordiniert, den die Bundeswehr nutzen kann.
Laut Bundesregierung hatten sich mehrere hundert deutsche Staatsangehörige im Sudan für eine Evakuierung registriert. Sie begann am Sonntag. Insgesamt sind bislang fünf Bundeswehr-Maschinen in Khartum gelandet. Die Gesamtzahl der Evakuierten liege mittlerweile bei etwa 500 Menschen, darunter Deutsche und Bürger anderer Staaten, teilte das Außenministerium mit.
Die Bundeswehr setzt Fallschirmjäger mit größerer Ausrüstung und das Kommando Spezialkräfte (KSK) ein. Auch die für besondere Einsätze im In- und Ausland ausgebildete GSG 9 der Bundespolizei und die Einheit der Bundespolizei, die sich um den Schutz deutscher Diplomaten im Ausland kümmert, leistet einen Beitrag.
Wie lange soll der Bundeswehreinsatz dauern?
Die Bundesregierung werde "jede Minute nutzen, um Leute rauszubringen", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Wie viele Deutsche sich noch im Sudan befinden, ist unklar. Viele könne man telefonisch nicht erreichen, teilte das Außenministerium mit. Einige hätten die Hauptstadt Khartum auf anderem Wege verlassen. So seien Deutsche mit einem UN-Konvoi und bei einem französischen Evakuierungseinsatz mitgenommen wurden.
Bundeswehr-Maschine mit Evakuierten in Berlin gelandet
Da es sich bei der Mission um einen Bundeswehreinsatz im Ausland handelt, soll der Bundestag bis zum 31. Mai nachträglich seine Zustimmung erteilen. Voraussichtlich wird das Kabinett am Dienstag den Mandatstext beschließen und dann dem Parlament zuleiten. Der Bundestag soll darüber noch diese Woche abstimmen. Eine vorherige Befassung des Bundestags hätte das Leben der Menschen gefährdet, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Wen fliegt die Bundeswehr aus?
Deutschland ist laut Angaben der Bundeswehr dazu verpflichtet, in "unerwarteten Krisenfällen" seine Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Sicherheit zu bringen. Die meisten von ihnen sollen im diplomatischen Dienst oder für Hilfsorganisationen und NGOs tätig sein. Hinzu kommen nach Bundeswehrangaben "weitere zu schützende Personen überwiegend aus europäischen Staaten ohne eigene Evakuierungsmöglichkeiten".
Bislang 311 Personen von der Bundeswehr ausgeflogen
Laut dpa waren unter den Evakuierten der ersten drei Flüge 42 Niederländer und mehr als 15 Österreicher. Zudem wurde eine einstellige Zahl Staatsangehöriger aus Australien, Bulgarien, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien, Irland, Schweden und Portugal außer Landes gebracht.
Das Auswärtige Amt arbeitet in solchen Fällen mit einer "Krisenvorsorgeliste". In diese Liste können sich Deutsche, die sich im Ausland aufhalten, eintragen. Die Auslandsvertretungen können so bei akuten Krisen schneller mit ihnen in Kontakt treten und haben einen besseren Überblick, wer sich im Land aufhält.
Für die Evakuierung mussten die Betroffenen selbstständig zum geheimen Sammelpunkt gelangen. Die deutsche Botschaft in Khartum wies in einem vorher verschickten "Landsleutebrief" darauf hin, dass gegebenenfalls nicht alle Gegenstände mit an Bord des Evakuierungsflugzeuges mitgebracht werden könnten. Auch Haustiere könnten nicht befördert werden.
Nach Schätzungen des EU-Außenbeauftragten Borrell am Montag haben "sicherlich mehr als 1.000" EU-Bürger den Sudan inzwischen verlassen. Der EU-Botschafter Aidan O'Hara blieb laut dem Außenbeauftragten im Sudan, hält sich aber nicht mehr in der umkämpften Hauptstadt Khartum auf. "Der Kapitän ist der letzte, der das Schiff verlässt", sagte Borrell.
Was passiert mit den Ortskräften?
Sudanesische Ortskräfte, die für die deutsche Auslandsvertretung und die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit arbeiten, werden nicht ausgeflogen. Ein Sprecher des Außenministeriums begründete diese Entscheidung damit, dass die Situation nicht mit der in Afghanistan im Jahr 2021 vergleichbar sei. In Afghanistan hätten die Taliban die Ortskräfte als "westliche Verräter" gesehen und hätten gezielt Jagd auf diese gemacht. Das sei im Sudan nicht der Fall. "Hier haben wir es ja mit einer Situation zu tun, wo sich gerade zwei Armeen bekriegen und die keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Zivilisten nehmen, aber jetzt nicht gezielt gegen unsere Ortskräfte vorgehen", sagte der Sprecher.
Worum geht es in dem Konflikt im Sudan?
Rivalisierende Militärs kämpfen um die Herrschaft im Sudan
Der Sudan hat in den vergangenen Jahren mehrere Putsche und Putschversuche erlebt. Seit 2021 wird das Land von der Armee kontrolliert: Abdul Fattah Al-Burhan ist Oberbefehlshaber der Truppen und De-facto-Präsident des Landes. Vor einer Woche ist der Konflikt mit seinem Stellvertreter Mohamed Hamdan Dagalo eskaliert. Dagalo führt eine paramilitärische Gruppe namens Rapid Support Forces (RSF) an, die der offiziellen Armee unterstellt werden sollte. Doch stattdessen greifen die RSF-Truppen seit Mitte April Einrichtungen der Armee an und versuchen, strategisch wichtige Punkte des Landes zu erobern.
Sowohl den RSF-Truppen als auch den Einheiten von Al-Burhan werden Menschenrechtsverletzungen und große Brutalität auch gegen Zivilisten vorgeworfen. Medienberichten zufolge werden die RSF-Verbände im aktuellen Konflikt von der russischen Söldnergruppe Wagner unterstützt. Laut CNN wurden von Wagner-Stützpunkten in Libyen Raketen an die RSF geliefert. Seit Beginn der Kämpfe sollen laut WHO mindestens 420 Menschen getötet worden sein.
Wie ist die Lage vor Ort?
In Khartum wird auf offener Straße gekämpft und geschossen
"Es fehlt an Strom, an Wasser, an Essen", berichtet ARD-Korrespondentin Vera Rudolph. Große Teile der Bevölkerung seien durch die Kämpfe von einer Versorgung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln abgeschnitten, erklärte die Diakonie Katastrophenhilfe. Die Hauptstadt Khartum ist besonders umkämpft, den Angaben zufolge fliehen derzeit täglich tausende Menschen aus der Stadt. Viele Krankenhäuser haben ihren Betrieb eingestellt, Hilfsorganisationen können kaum noch tätig werden.
Die Welthungerhilfe ist seit 1998 im Sudan und hat rund 200 sudanesische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Sie versucht, die Menschen von Deutschland aus zu unterstützen. Es sei gerade jetzt wichtig, dass "wir die Menschen nicht im Stich lassen. Schon vor der Krise haben rund 100 Millionen Menschen nicht genügend zu Essen gehabt".
Wie die UN-Flüchtlingshilfe berichtet, sind bereits in den ersten Tagen der Kämpfe mehrere zehntausend Menschen in den benachbarten Tschad geflohen, darunter meist Frauen, Kinder, Alte und Kranke. Sie leben dort unter schwierigsten Bedingungen. Die Versorgungslage mit Nahrung und Medizin ist schlecht, zum Teil müssen die Geflüchteten unter freiem Himmel ausharren. Auch im Südsudan und in Ägypten kommen viele sudanesische Flüchtlinge an. Laut UN versammelten sich an der Grenze zu Ägypten tausende Menschen.
Eine von den Konfliktparteien vereinbarte Feuerpause zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, die seit Freitagabend nur teilweise eingehalten wurde, ging am Montagabend zu Ende. Seit Dienstag gibt es eine erneute Feuerpause - für drei Tage. Die USA hatten das verhandelt, beide Seiten haben dem zugestimmt.
Der Sudan gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Bereits vor der jüngsten Eskalation waren laut den UN rund 16 Millionen Menschen im Sudan und somit ein Drittel der Bevölkerung auf Hilfe zum Überleben angewiesen. "Millionen Zivilisten sind im Kreuzfeuer gefangen und haben bald keine lebensnotwendigen Güter mehr", erklärte unlängst die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group.