Streik im Einzelhandel kurz vor Ostern
WDR aktuell. 28.03.2024. 16:30 Min.. Verfügbar bis 28.03.2026. WDR. Von Anke Kutz.
Streik bei Lidl und Kaufland: "Alle Produkte gibt es in anderen Supermärkten"
Stand: 28.03.2024, 10:55 Uhr
Um Druck in den Tarifverhandlungen aufzubauen, hat Verdi die Mitarbeitenden von Supermärkten zum Streik am Gründonnerstag aufgerufen. Wirtschaftswissenschaftler Thomas Roeb wundert, dass ausgerechnet bei Lidl und Kaufland gestreikt werden soll.
Laut Verdi soll so der drittgrößte Lebensmittelhändler Deutschlands dazu gebracht werden, in den laufenden Tarifverhandlungen mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) einzulenken. Dort fordert die Gewerkschaft eine Lohnsteigerung von mindestens 2,50 Euro die Stunde für die Beschäftigten im Einzelhandel und eine prozentuale Erhöhung der Gehälter im Groß- und Außenhandel von 13 Prozent, mindestens aber 450 Euro.
Doch laut Verdi unterstützt die Schwarz-Gruppe "wie alle anderen großen Handelskonzerne die Verweigerungshaltung der Arbeitgeberverbände, die seit Wochen jegliche Gespräche und Lösungsansätze mit der Arbeitnehmerseite verweigern", so Silke Zimmer. Sie ist für den Handel zuständiges Bundesvorstandsmitglied von Verdi.
Wirtschaftswissenschaftler: "Keine chaotischen Zustände"
Für den Streik bei Lidl und Kaufland hat die Gewerkschaft gezielt Gründonnerstag gewählt, einen der verkaufsstärksten Tage des Jahre, den viele Menschen nutzen, um vor den Osterfeiertagen noch einmal den Kühlschrank zu füllen. Ob der Streik aber wirklich die gewünschte Wirkung hat, bezweifelt der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
"Wir müssen nicht mit chaotischen Zuständen rechnen, weil es praktisch alle Produkte, auch in allen anderen Geschäften gibt", sagt er im Gespräch mit dem WDR. Gerade bei einem einmaligen Streik falle es den Kunden so leicht, einfach in ein anderes Geschäft zu gehen und dort die Produkte zu kaufen, die es in ihrem gewohnten Supermarkt nicht gebe.
Kaufland meldet keine Einschränkungen
Diese Einschätzung bestätigte am Donnerstag auch eine Sprecherin von Kaufland der dpa: "Die Filialen haben normal geöffnet und werden beliefert. Die Verbraucher können wie gewohnt einkaufen." Laut HDE hatten auch die vorangegangenen Streikaktionen wenig Auswirkungen auf den Verkauf. "Die Handelsunternehmen haben in den letzten Monaten bewiesen, dass sie mit Streiks gut klarkommen", so Steven Haarke, Tarifgeschäftsführer des HDE.
Wirtschaftswissenschaftler Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
Den Wirtschaftswissenschaftler Roeb wundert es vor allem, warum Verdi kurz vor Ostern ausgerechnet Lidl und Kaufland bestreikt. Schließlich habe die Schwarz-Gruppe mit ihren Discountern die geringsten Probleme mit den geforderten Lohnerhöhungen. "Dadurch, dass sie weniger Personal einsetzen müssen, sind sie weniger stark von Lohnerhöhungen betroffen, als die richtigen Supermarktketten, wie Rewe und Edeka", sagt Roeb.
Schwarz hat bereits Lohnerhöhung angekündigt
Und auch der HDE weist die Kritik von Verdi, sich den Verhandlungen zu verweigern, von sich. "Wir als Arbeitgeber haben bereits in der ersten Verhandlungsrunde in Baden-Württemberg vor fast einem Jahr ein Angebot vorgelegt und dieses im weiteren Verlauf der Tarifrunde noch dreimal nachgebessert", sagte Tarifgeschäftsführer Haarke.
Zuletzt hatten einige Handelsunternehmen, darunter auch die der Schwarz-Gruppe mit Sitz im baden-württembergischen Neckarsulm, angekündigt, die Löhne ihrer Beschäftigten anzuheben. Die Lebensmitteleinzelhändler waren damit einer Empfehlung des HDE gefolgt, die Entgelte schon vor einem offiziellen Tarifabschluss freiwillig zu erhöhen und dies später mit dem Tarifabschluss zu verrechnen.
Unsere Quellen:
- Interview mit Wirtschaftswissenschaftler Thomas Roeb im WDR 5 Morgenecho
- Nachrichtenagentur dpa
- Pressemitteilung Gewerkschaft Verdi
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 28.03.2024 auch im Hörfunk: WDR 5 Morgenecho.