Der Wortschatz von Kindern ist wichtig für den Bildungserfolg in der Schule. Darum hat das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Uni Dortmund dazu eine Studie durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden Daten von bundesweit mehr als 4.600 Schülern der vierten Klasse ausgewertet.
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Unter Viertklässlern in Deutschland gibt es beim Wortschatz erhebliche Unterschiede. Der Förderbedarf ist demnach besonders groß bei Kindern,
- die selten oder nie ein Buch lesen,
- die nicht in Deutschland geboren sind und
- deren Eltern einen eher niedrigen Bildungsabschluss haben.
Diese Unterschiede hängen "systematisch mit dem familiären Hintergrund zusammen", wie Ulrich Ludewig vom Forscherteam am Donnerstag schilderte. Wie der Bildungsabschluss der Eltern ausfalle, ob es einen Zuwanderungshintergrund gebe und wie die familiäre Leseumgebung aussehe, spiele eine große Rolle.
Wortschatz-Unterschiede: Größer als ein Jahr Lernfortschritt
Laut der Studie entsprechen die durchschnittlichen Wortschatz-Unterschiede zwischen manchen Schülergruppen dem Lernzuwachs von über einem Jahr. Umso mehr werde deutlich, wie wichtig eine systematische Förderung spezifischer Schülergruppen in der Primarstufe sei.
Wer liest, hat einen deutlichen Vorsprung
Die Hälfte der Kinder gab an, täglich oder fast täglich Bücher zu lesen, während 22 Prozent nach eigener Aussage nie oder maximal einmal im Monat ein Buch lesen. Schülerinnen und Schüler, die (fast) täglich Bücher lesen, zeigten im Mittel einen klaren Wortschatz-Vorsprung gegenüber den kaum lesenden Viertklässlern.
Das gelte in unterschiedlicher Ausprägung für alle Gruppen - unabhängig von Geschlecht, Bücherzahl daheim, Zuwanderungshintergrund oder Bildungsabschluss der Eltern. Es gebe hierbei nur zwei Ausnahmen: Nämlich Kinder, die selber zugewandert sind. Und Viertklässler, deren Eltern höchstens einen mittleren Schulabschluss und keine Berufsausbildung haben.
In diesen beiden Fällen war trotz häufigen Bücherlesens kein deutlich größerer Wortschatz im Vergleich zu wenig lesenden Kindern festzustellen.
Digitales Lesen schnitt schlecht ab
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Digitales Lesen trägt kaum zum Ausbau des Wortschatzes bei. Der Wortschatz sei "am kleinsten, wenn Kinder oft an digitalen Geräten lesen und gleichzeitig selten bis nie ein Buch." Die Bilanz der Forscher: "Häufiges Lesen an digitalen Geräten weist einen negativen Zusammenhang mit dem Wortschatz der Kinder auf." Ein Viertel der Schüler gab an, täglich oder fast täglich außerhalb der Schule an digitalen Geräten zu lesen.
Wer digital unterwegs sei, lese häufig eher Chatnachrichten, Anweisungen in Apps oder kurze Teasertexte - aber keine längeren, aufeinander aufbauenden Textpassagen mit vielfältigem Wortschatz. Es sei denkbar, dass sich Kinder mit geringem Wortschatz nicht an Bücher herantrauten. Sie sollten gezielt mit leichteren Büchern zum Lesen motiviert werden.
Kinder brauchen Unterstützung in Schulen
"Die Sonderauswertung verdeutlicht, dass Kinder beim Erwerb und Ausbau der sprachlichen Kompetenzen gezielte Unterstützung in ihren Grundschulen benötigen, besonders, wenn ihre familiäre Umgebung eher wenige Lerngelegenheiten für den Aufbau sprachlicher Kompetenzen im Deutschen bietet", sagte Bildungsforscherin Nele McElvany. Sie empfiehlt, die Sprachkompetenzen ab der ersten Klasse regelmäßig zu untersuchen, um gezielt fördern zu können.
Schon zuvor hatten das IFS-Schulpanel im März und der IQB-Bildungstrend im Oktober alarmierende Leistungsdefizite bei vielen Jungen und Mädchen am Ende der Grundschulzeit aufgezeigt.
Über dieses Thema berichten wir heute im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde.