Auf dem Lkw steht "Meinungsfreiheit ist bei uns eine Mutprobe"

Dortmunder Schüler wehren sich gegen populistische Sprüche

Stand: 10.06.2022, 14:09 Uhr

Mit großflächigen Sprüchen auf ihren LKW zweifelt die Spedition Stegemöller die Meinungsfreiheit in Deutschland an. Und mit diesen Sprüchen waren die LKW auf einer städtischen Baustelle in Dortmund unterwegs, ausgerechnet an einer Schule.

Von Christof Voigt

Die Botschaften auf den großen Schüttgut-LKW der Firma Stegemöller sind deutlich: Meinungsfreiheit sei bei uns eine Mutprobe und man solle sich als Deutscher nicht erwischen lassen, stolz auf sein Land zu sein. Einigen Schülern des Dortmunder Goethe-Gymnasiums fallen diese LKW sofort auf, erzählt der Schulleiter Christof Nattkemper. Für die Schüler seien das eindeutig "rechtsradikale oder rechtstendenziöse Sprüche" gewesen und das wollten sie sich nicht bieten lassen, sagt Nattkemper. Sie haben jetzt Plakate mit Botschaften für Meinungsfreiheit und gegen Rassismus an den Zaun der Baustelle gehängt. "Als Gegenreaktion, die zeigen soll, dass Mädchen und Jungs am Goethe-Gymnasium eine politisch eigene Meinung haben und sich von anders Denkenden auch nicht beeindrucken lassen", so Nattkemper.

Und was sagt die Firma Stegemöller dazu? Wieso glauben Unternehmer in Kamen offenbar, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit gibt oder man als Deutscher nicht stolz auf sein Land sein dürfe? Auf unsere schriftliche Anfrage bekommen wir keine Antwort von dem Unternehmen.

LKW fallen nicht zum ersten Mal negativ auf

auf dem Lkw steht "Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd"

Einer der Lkw

Schon im vergangenen Jahr gab es Beschwerden über die Stegemöller-LKW. Da wurde in der Dortmunder Nordstadt gebaut und auch dort war das Unternehmen mit seinen LKW unterwegs, sagt Iris Bernert-Leushacke. Sie engagiert sich seit mehr als 20 Jahren gegen Rechtsextremismus. Die Meinungsfreiheit in Deutschland anzuzweifeln, sei in der rechten Szene weit verbreitet, sagt Bernert-Leushacke. Das höre sie auch in Teilen der Querdenkerbewegung immer wieder. Auch in der Nordstadt waren die LKW mit ihren Botschaften auf einem städtischen Schulgelände unterwegs. Für Iris Bernert-Leushacke, die sich auch schon lange im Dortmunder Anti-Nazi-Bündnis "Blockado" engagiert, ein Unding: "Hier werden politische Meinungen kundgetan, die in eine sehr eindeutige Richtung gehen. Und das hat viele Menschen hier aufgeregt. Das ist hier eine Gegend, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, seit Jahrzehnten leben und hier zur Schule gehen, die Kinder gehen hier zu den Schulen."

Geschäftsführerin mit Kontakten in rechtsextreme Milieus?

Das wirkt besonders dann bedenklich, wenn man sich das ideologische Umfeld anschaut, in dem sich die Geschäftsführerin der Firma Stegemöller, jedenfalls früher, offenbar bewegt hat: Schon vor drei Jahren hatte der WDR darüber berichtet, dass Nadine Stegemöller auf Facebook Kontakt zu bekannten Rechtsextremisten hatte. Ein Foto aus dem Jahr 2017 zeigt sie auf dem Weg zu einem rechtsextremen Musikfestival in Themar, in Ostdeutschland. Kontoauszüge aus 2014 belegen, dass sie einem führenden Kopf einer mittlerweile verbotenen neonazistischen und rassistischen Organisation für einen bestimmten Zeitraum Geld überwiesen hat. Aber auch dazu möchte sich Frau Stegemöller nicht äußern. Iris Bernert-Leushacke fordert jetzt von der Stadt, dass Stegemöller nicht mehr beauftragt wird: "Rechte Parolen durch die Gegend zu fahren, also das kann man einfach nicht akzeptieren und da muss auch die Stadt in entsprechender Weise meiner Ansicht nach tätig werden."

Stadt Dortmund distanziert sich ausdrücklich von LKW-Aufschriften

Die Stadt Dortmund könne aber nichts gegen die Botschaften auf den LKW machen, heißt es in einer Stellungnahme. Weil Stegemöller als Subunternehmer auf der Baustelle arbeite und nicht im direkten Auftragsverhältnis zur Stadt stehe: "Die Spedition bewegt sich mit ihren Aktionen innerhalb des Rahmens, den das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eröffnet, weshalb formalrechtlich nicht gegen diese vorgegangen werden kann, auch wenn hier eindeutig ein Konflikt mit den Werten der Stadt Dortmund vorliegt." Die LKW-Beschriftung entspreche "erkennbar nicht dem, wofür die Stadt Dortmund steht – als Stadt der Vielfalt, Weltoffenheit und der Toleranz." Den Protest der Schüler am Goethe-Gymnasium begrüßt die Stadt, auch wenn er keine direkte Auswirkung auf die Beauftragung haben könne. Die Plakataktion der Schüler setze ein "sichtbares und starkes Zeichen der jungen Dortmunder*innen." Die Botschaften auf den LKW würden nicht einfach still hingenommen, "sondern ihnen wird eine ablehnende Haltung entgegengesetzt – ganz im Einklang mit den Werten der Stadt Dortmund."

Engagement der Schüler zahlt sich aus

Christof Nattkemper im Portrait

Christof Nattkemper, Leiter der Goethe Gymnasiums Dortmund

Und ganz offensichtlich hatte der Schüler-Protest auch Erfolg. Schulleiter Nattkemper erzählt, dass die LKW von Seiten der Firma ausgetauscht worden seien und mittlerweile durchgängig Fahrzeuge in Betrieb seien, "die diese Sprüche an der Seite eben nicht mehr haben." Das zeige, dass sich das demokratische Engagement seiner Schüler ausgezahlt habe, so der Schulleiter. Und darauf ist Christof Nattkemper wirklich stolz.