Ab Sommer kommenden Jahres wird Ryanair nicht mehr von und nach Dortmund fliegen. Köln/Bonn, Weeze und Münster fliegt die Airline weiterhin an. Aber auch aus Dresden und Leipzig zieht sich Ryanair komplett zurück. An den Flughäfen in Hamburg und Berlin werden weniger Verbindungen angeboten.
Unterm Strich steht: Zwölf Prozent weniger Flugangebot von Ryanair in Deutschland. Über die Gründe und Auswirkungen haben wir mit dem Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt gesprochen.
WDR: Wie bewerten Sie das Aus von Ryanair am Dortmunder Flughafen?
Heinrich Großbongardt: Für einen Flughafen wie Dortmund, der ohnehin an der Grenze oder unter der Grenze der Profitabilität arbeitet, ist so etwas natürlich ein böser Schlag. Ich glaube nicht, dass sich Ryanair ersetzen lassen wird, weil wir ja auch bei anderen Billigfluggesellschaften, namentlich der Wizz Air, die Tendenz sehen, das Flugangebot für Deutschland zu verknappen.
Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt
Woran liegt das?
Großbongardt: Die Fluggesellschaften sagen, es liegt an den hohen Gebühren. Das ist sicherlich ein Aspekt, aber eigentlich liegt es an zwei Dingen: den Gebühren und daran, dass die Fluggesellschaften, die mit 737 und auch A320, A321neo fliegen, also sowohl Wizz Air als auch Ryanair, gerade Probleme mit der Kapazität haben.
Flugzeug der Billig-Airline Wizz Air.
Boeing kann im Augenblick nicht so viele Flugzeuge liefern wie Ryanair bestellt hat und Wizz Air hat das Problem, dass die Triebwerke der A320neo-Familie ein technisches Problem haben. Da stehen zurzeit weltweit 600 Flugzeuge still und warten darauf, dass diese Triebwerke repariert werden können. Und das bedeutet, sie haben wenig Kapazität.
Das heißt aber auch, dass man knappe Kapazitäten lieber woanders einsetzt?
Großbongardt: Selbstverständlich, das ist genau der Punkt. Die knappen Kapazitäten werden dort eingesetzt in Europa, wo pro Ticket drei, vier, fünf Euro mehr erlöst werden. Das ist rationales wirtschaftliches Handeln und das wirkt sich gerade dann zum Nachteil des Standorts Deutschland aus.
Sind Sie der Meinung, dass die Bundesregierung da etwas unternehmen sollte, wie es aus der Luftfahrtbranche gefordert wird?
Großbongardt: Es ist eine große gesellschaftliche Diskussion, wie viel Flugverkehr wir brauchen. Muss man den Billigflugverkehr besonders fördern? Das ist eine politische Entscheidung, von der man sagen kann, die steht natürlich auch im Einklang mit den Klimazielen.
Verhältnisse wie wir sie noch vor fünf, sechs, sieben Jahren hatten, bei denen der Billigflugverkehr durch extrem niedrige Ticketpreise sehr hohe Zuwachsraten hatte und die Leute für 30 Euro oder 40 Euro nach Mallorca fliegen könnten, sind angesichts der klimapolitischen Diskussion, die wir haben, ganz sicherlich nicht wünschenswert.
Wie wird es für die Regionalflughäfen weitergehen?
Großbongardt: Die kleinen Flughäfen haben es insgesamt dauerhaft schwer. Es hat auch schon vor Corona die Diskussion gegeben, ob wir die überhaupt noch brauchen. Und da kann man nur sagen: Ja, wir brauchen sie. Jeder Flughafen ist ein wichtiges Stück Infrastruktur.
Wir brauchen sie heute unter anderem für Geschäftsfliegerei, die unerlässlich ist in Deutschland. Und wir werden sie auch Ende des Jahrzehnts brauchen für einen umweltfreundlichen, emissionsfreien Regionalluftverkehr mit neuen Flugzeugen, die über Elektroantrieb beziehungsweise hybridelektrischen Antrieb verfügen.
Reisen die Menschen jetzt generell anders, vielleicht auch weniger?
Großbongardt: Das eine ist ganz sicherlich, dass es weniger innerdeutsche Geschäftsreisen gibt. Viele Unternehmen haben diese durch Videokonferenzen ersetzt. Das setzt sich immer mehr durch. Da wird nicht mehr so viel geflogen.
Das zweite ist, viele Unternehmen und natürlich auch viele Privatleute steigen um auf die Bahn. Da wirkt sich auch das gestiegene Umweltbewusstsein aus. Das Flugzeug bietet auf vielen Strecken, etwa von Köln nach München, keinen so riesigen Zeitvorteil, wenn man City to City rechnet.
Das bringt viele Menschen dazu, umzusteigen. Und das führt insgesamt dazu, dass der innerdeutsche Luftverkehr weit hinter dem zurückbleibt, wo er vor Corona war.
Das heißt also, wir müssen uns von den lauten Rufen aus der Branche wie denen von Ryanair nicht unter Druck setzen lassen?
Großbongardt: Ich würde mich da nicht aus der Ruhe bringen lassen, man darf das nicht überbewerten. In dem Moment, wo die Ryanairs und Wizz Airs Europas wieder genug Kapazitäten haben und ihre Flugzeuge gut gefüllt sind, kommen sie auch wieder nach Deutschland zurück. Deutschland ist ein viel zu wichtiger und viel zu großer Markt, um ihm wirklich dauerhaft den Rücken zu kehren.
Hinweis der Redaktion: Wir haben die Antworten von Heinrich Großbongardt stellenweise für eine bessere Lesbarkeit minimal umformuliert.
Unsere Quelle:
- WDR-Interview
- Zahlen des Statistischen Landesamtes IT.NRW