Bonner Bahnhof ist der unpünklichste Deutschlands
Lokalzeit aus Bonn. 07.11.2023. 03:21 Min.. Verfügbar bis 07.11.2025. WDR. Von Britta Schwanenberg.
Bonner Hauptbahnhof ist ein Schlusslicht bei Pünktlichkeit
Stand: 08.11.2023, 14:05 Uhr
Bahnreisende werden in ganz NRW seit Monaten aufgrund von „baubedingten Fahrplanänderungen“ auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Mit am längsten warten müssen sie dabei in Bonn.
Der Blick schweift kopfschüttelnd zwischen Handy und Anzeigetafel: Seit sechs Monaten wohnt der junge Mann, den wir auf Gleis 1 treffen, in Bonn. Seine Erfahrung fasst er so zusammen: "Ich fahre sehr regelmäßig vom Hauptbahnhof Bonn ab und komme sehr unregelmäßig pünktlich.“ Heute will er nach Potsdam, den Anschlusszug hat er aufgrund einer 30-minütigen Verspätung hier in Bonn bereits verpasst. "Nun bastle ich an einer neuen Verbindung.“
Pendler sind oft doppelt so lange unterwegs
Neben ihm schaltet sich eine Berufspendlerin ins Gespräch ein. Sie fahre täglich nach Köln-Deutz, eigentlich eine Fahrt von 30 Minuten, nun brauche sie seit Wochen im Schnitt eine Stunde pro Fahrt. Zufall? Nein. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat in Kooperation mit dem Portal „Zugfinder“ Fernverkehrsdaten der letzten vier Jahre ausgewertet. Als zu spät gilt jeder Zug, der mehr als sechs Minuten nach der angekündigten Zeit eintrifft.
Das Portal findet man im dazugehörigen Online-Artikel der FAZ
Jeder kann hier seinen Bahnhof überprüfen. Hamburg, Frankfurt, Berlin, Köln - überall zeigt die Kurve nach unten, überall werden Züge immer unpünktlicher. Aber Bonn liegt wirklich ganz hinten.
Septemberstatistik am Hbf Bonn: Nur 38 Prozent der Züge pünktlich
Auf der Suche nach Gründen sprechen wir mit Detlev Neuß vom Fahrgastverband ProBahn. Der zeigt sich wenig überrascht angesichts der Statistik. "Wie ein gordischer Knoten“ sei das Verkehrsnetz rund um Köln: Schwer belastete Gleise, seit Jahren in Dauernutzung. Dazu komme der Güterverkehr auf der linksrheinischen Strecke, der den Personenverkehr ausbremse. Und viel Fahrradtourismus, der mit langen Ein- und Ausstiegen für Verzögerungen sorge.
Reisende müssen am Hauptbahnhof Bonn viel Geduld mitbringen
Die Deutsche Bahn antwortet auf unsere Nachfrage, sie äußere sich nicht zur Statistik zu einzelnen Bahnhöfen, und verweist auf den hohen Sanierungsdrang und die vielen Baustellen. Tatsächlich werden die Bauarbeiten am Elektronischen Stellwerk "Linker Rhein" noch mehr als ein Jahr für Chaos sorgen.
Die Aussichten? Nur vermeintlich tröstlich
Denn, so erklärt Detlev Neuss von ProBahn: Die Statistik würde eventuell tatsächlich besser. Das liege aber nur daran, dass künftig mehr Züge ganz ausfallen würden. Und Zugausfälle gingen nicht in die Statistik ein, aus Fahrgastsicht natürlich eine absurde Situation.
Wenn der Bonner Hauptbahnhof dann gar nicht mehr angefahren würde, wäre er zu 100 Prozent pünktlich. Genau das wird tatsächlich passieren: In einigen Jahren folgt eine monatelange „Korridorsanierung“: Das ist ein Mammutprojekt der DB, für das 43 Hauptstrecken generalsaniert und dafür voll gesperrt werden. Dabei wird auch Bonn betroffen sein.
Besser wird es voraussichtlich 2030
Die Sorge, dass Bonn ganz aufs Abstellgleis gerät, wird inzwischen auch im Stadtrat Bonn diskutiert. Über alle Parteigrenzen hinweg herrschte Einigkeit, dass die DB Alternativlösungen für die Bonner Reisenden bieten müsse. Heute auf Gleis 1 hilft das niemandem mehr: Gerade ertönt die Durchsage: “Achtzig Minuten Verspätung. Wir bitten um Entschuldigung.“