Tödlicher Unfall, aber kein Prozess

Stand: 10.03.2023, 18:10 Uhr

Eine 42 Jahre alte Wuppertalerin stirbt im November 2021 bei einem Verkehrsunfall. Der Wagen eines jungen Autofahrers erfasst sie beim Überqueren der Straße. Die Familie trauert. Und ist nach eigener Aussage sehr wütend über die Aufarbeitung durch die Justiz.

Von Wolfram Lumpe

Im November 2021 will Karina Siegfanz in Wuppertal-Wichlinghausen die Straße überqueren. Ein junger Autofahrer ist mit beschlagener Frontscheibe unterwegs. Er sieht die Frau nicht und überfährt sie. Die 42-Jährige überlebt den Zusammenprall nicht.

Ein tragischer Vorfall, der in der juristischen Aufarbeitung zunächst mal den regulären Weg geht. "Das alles ist von uns, nach intensiver Prüfung des Sachverhalts, als fahrlässige Tötung bewertet und durch einen Strafbefehlsantrag auch geahndet worden", sagt Staatsanwalt Wolf-Tilman Baumert.

Der Strafbefehl

Schild mit der Aufschrift "Staatsanwaltschaft Wuppertal"

Ein Strafbefehl ist ein Urteil des Gerichts, das auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Amtsgericht ohne Prozess ergeht. Und genau hier setzt die Kritik der Hinterbliebenen an. Der Vorgang ist gesetzlich verankert. Die Familie aber ging fest davon aus, dass es einen Prozess gibt. Den habe sie unbedingt gewollt, sagt Dirk Metz, Sprecher der Familie Siegfanz. Metz ist kein Anwalt, er ist Kommunikations-Experte.

Der Kommunikationsprofi

Die Familie selbst sei nicht in der Lage in die Öffentlichkeit zu gehen, so Metz. Er ist gewohnt, diese Vertreter-Rolle zu übernehmen. Der ehemalige hessische Regierungssprecher hat unter anderem die Familie des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke während des Prozesses begleitet. Was die Justiz jetzt mit der Familie Siegfanz mache, das sei "ein extrem schäbiges Verfahren, dass von Gefühlskälte geprägt" sei.

"Dem Unfallverursacher in die Augen schauen"

Dirk Metz, Sprecher der Familie

Dirk Metz, Sprecher der Familie

Eine Beiordnung von Nebenklage-Anwälten habe es erst gegeben, als der Strafbefehl schon da gewesen sei. Auch habe die Familie ein eigenes Gutachten zum Unfall in Auftrag gegeben, das die Geschwindigkeit des Unfallfahrers höher einschätze, als das der Staatsanwaltschaft.

Streitpunkte gibt es viele. Aber der Hauptpunkt ist der Prozess, den es nicht gab. Dirk Metz: "Ich weiß, dass es für die Familie wichtig ist, demjenigen, der diesen Unfall verursacht hat, in die Augen schauen können. Und nicht Rache oder eine höhere Strafe."

Juristische Finten

Das Problem: Der Strafbefehl ist rechtskräftig, ein Prozess nicht möglich. Eigentlich. Metz, die Familie und deren Anwälte greifen jetzt zu einem kuriosen, juristisch möglichen Mittel: Die Anhörungsrüge. Es gibt sie laut Wuppertaler Amtsgericht in keinem Gesetz, beantragen kann man sie aber trotzdem.

Und genau das ist jetzt passiert. Der zuständige Amtsrichter könne aber erst über die Aufnahme eines Prozesses entscheiden, wenn auch der Anwalt der Familie dazu eine Stellungnahme abgegeben habe. Die fehle bisher.

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