Nach 36 Jahren: Tochter der getöteten Petra Nohl erwartet Urteil in Köln
Stand: 29.02.2024, 08:30 Uhr
Ihre Mutter starb vor 36 Jahren durch einen brutalen Angriff. Damals war die Tochter 18 Monate alt. Die Polizei hatte den Fall nie aufgegeben, jetzt will das Kölner Landgericht am Freitag ein Urteil sprechen.
Von Markus Schmitz
Mit einem Lächeln blickt die 37-Jährige auf ein Foto. Es zeigt ihre Mutter, die die Tochter auf dem Arm hält. Diese Aufnahme hatte die Frau vor wenigen Jahren der Kölner Polizei zur Verfügung gestellt, damit die Ermittlungen in dem Fall auch durch die Hilfe von Akzentzeichen XY wieder aufgenommen werden können.
Der Anblick macht sie traurig, sagt sie. Die Mutter sei eine sehr liebevolle, tolle Mama gewesen. "Das Bild stammt aus einem Babybuch, dass sie für mich angelegt hatte", sagt sie. Ein Buch mit vielen Fotos, "das plötzlich aufhörte, weil die Mutter nicht mehr da war." Es sei traurig, dass sie so früh aus dem Leben gerissen wurde.
"Habe es nicht gekannt, Mama zu sagen"
Sie wuchs bei ihrem Vater und dessen Eltern auf. "Sie haben sich zu dritt um mich gekümmert." Es war alles toll, sagt sie, aber ihre Mama sei halt nicht da gewesen. "Meine Oma wollte mir zum Beispiel die Haare waschen, ich wollte, dass meine Mama das macht."
Ich bin damit aufgewachsen, dass meine Mutter nicht da ist. "Ich habe es nie gekannt, Mama zu sagen!" Sie fehlte gerade in der Pubertät, als alle anderen von ihren Müttern erzählten.
Polizei gelingt 2022 ein Durchbruch
Schon zu Grundschulzeiten war ihr klar gewesen, dass ihre Mutter einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Das führte zu "ganz viel Angst." Weil überhaupt nicht klar war, was hinter der Tat steckte, hatte ihr Vater ihr eingetrichtert, dass sie zum Beispiel nicht dicht an Hauswänden oder Autos vorbeigehen sollte. Schließlich könne jemand sie ins Haus oder Auto hereinziehen.
Im Oktober 2022 meldete sich die Kölner Mordkommission bei der Tochter. Die Ermittlungen würden intensiviert, hieß es damals. Wenig später dann der Durchbruch: Die Ermittler der Cold-Case-Abteilung der Kölner Polizei kündigten die Festnahme eines dringend Tatverdächtigen an: "Ich bin aus allen Wolken gefallen", sagt die Tochter im Interview. Nach einem Bericht zu dem Fall bei Aktenzeichen hatte sich ein Zeuge gemeldet, der die Spur auf den Angeklagten richtete.
Prozess beginnt: "Es war schlimm, ihn zu sehen"
Im September 2023 begann dann der Prozess gegen den Mann, der Petra Nohl getötet haben soll. Die erste Begegnung im Gerichtssaal sei "grausam" gewesen, sagt die Tochter. "Ich habe ihn gesehen und hatte einen Schock." Sie habe gezittert und dachte, er würde etwas sagen, doch er hat geschwiegen. "Es war schlimm, ihn zu sehen."
Die 24 Jahre alte Mutter ist in der Tatnacht "außerordentlich" brutal getötet worden. Die Tochter wusste, dass ihre Mutter sehr gewalttätig ums Leben kam. Allerdings nicht das genaue Ausmaß. Der Gerichtsmediziner habe der Tochter geraten, sie solle sich das Gutachten nicht anhören. Er ergänzte, dass in seinen 40 Jahren Berufserfahrung dieser Fall das Schlimmste war, was er je erlebt habe.
"Tolle Arbeit, die die Polizei geleistet hat"
"Egal, wie lange der Mann ins Gefängnis geht, es würde das Menschenleben nicht mehr zurückbringen", sagt die Frau. "Meine Mutter hätte länger gelebt, als seine Strafe dauert."
Die Polizei habe tolle Arbeit geleistet. "Die alten Fälle auszukramen und im besten Fall auch zu lösen, würde den Familien sehr helfen", erklärt Petra Nohls Tochter. Sie freut sich auch über die Menschen, die Anteil nehmen an dem Fall. "Das es Leute gibt, die in Gedanken bei mir sind und hoffen, dass es gut für mich ausgeht, das freut und berührt mich."
Kraft zieht sie aus ihrer eigenen Familie. Sie ist verheiratet und Mutter einer Tochter. Gerade die Tochter will sie schützen, indem sie nicht möchte, dass ihr Gesicht auf Fotos zu erkennen ist.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 01.03.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit aus Köln und im Radio auf WDR 2.