Kinderschutzambulanz Remscheid: "Kaum Zeit, mal Luft zu schnappen"

Stand: 03.11.2022, 12:30 Uhr

Über 400 Fälle von sexueller Gewalt, Misshandlung oder Vernachlässigung beschäftigen das Team der ärztlichen Kinderschutzambulanz jedes Jahr. Tendenz: Steigend. Die Belastung des Teams und die Finanzsorgen wachsen parallel auch. 

400 Kinder pro Jahr suchen Hilfe in der ärztlichen Kinderschutzambulanz Remscheid, und es werden immer mehr. Die Belastung des Teams und die Finanzsorgen nehmen zu. Allein die Vorstellung der Vergewaltigung eines Kleinkindes sprengt die menschliche Vorstellungskraft. Für die Therapeuten der Kinderschutzambulanz sind solche Verbrechen aber Teil der täglichen Arbeit. 
Denn das Team bekommt Fälle nicht nur über die Bergischen Jugendämter zugewiesen. Auch die Kripo sucht nach Hausdurchsuchungen bei mutmaßlich pädophilen Tätern die Unterstützung der Kinderschützer. 

Erschreckende Fälle, kaum Zeit

"Wir sehen erschreckende Inhalte von Menschen, die kinderpornografische Inhalte konsumieren. Das ist schwer zu ertragen", sagt die Leiterin Birgit Köppe-Gaisendrees. Überstunden sind für alle hier die Regel. Das Sekretariat ist mit vier Mitarbeiterinnen besetzt. Täglich kommen hier Notrufe an, oft ist schnelle Hilfe gefragt. Auf der anderen Seite stehen Gespräche mit Eltern, die nach Remscheid kommen. Hier geht es unter anderem darum zu erfahren, ob Kinder in ihren Familien Gewalt ausgesetzt sind. "Detektivarbeit", die viel Zeit in Anspruch nimmt. Zeit, die hier eigentlich Mangelware ist. 

Von Termin zu Termin 

Birgit Köppe-Gaisendrees: "Das ist ein totaler Spagat: Ständig abzuwägen, es geht eigentlich nichts mehr, es muss aber noch was gehen. Das ist es ein großes Geschenk, ein Team zu haben, das sagt: Das müssen wir jetzt halt noch machen." Wie Therapeutin Heike Kirchner: Sie betreut einen Notfall in der benachbarten Remscheider Kinderklinik, kommt gerade aus einem langen Gespräch mit jungen drogenabhängigen Eltern und steht vor einem Termin, mit einem Kind, dessen Schicksal sie in einem der Spielzimmer versucht, näher zu kommen. 

Mit der Belastung klar kommen 

Die Belastung sei im Moment höher als je zuvor, sagt sie. "Weil es im Moment Fälle gibt, die ich so noch nicht erlebt habe. Ich weiß im Moment noch nicht so genau, wie ich selber damit umgehen soll oder kann. Und man kommt kaum dazu, Luft zu schnappen. Ein Termin jagt den anderen."

Große Finanzsorgen 

Dazu kommen Geldsorgen. Und das jedes Jahr aufs Neue: Um die 150.000 Euro braucht die Kinderschutzambulanz, um arbeiten zu können. Quasi Spendeneintreiber in eigener Sache zu sein ist aber kaum machbar. Birgit Köppe-Gaisendrees: "Eine finanzielle Absicherung würde uns sehr helfen. Es erscheint makaber, dass wir im Kinderschutz arbeiten und uns gleichzeitig auch darum kümmern und Sorgen machen müssen." 

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