Prozessbeginn im Fall Abgestürzte Betonwand A3 bei Dellbrück

Lokalzeit aus Köln 13.08.2024 23:26 Min. Verfügbar bis 13.08.2026 WDR Von Oliver Köhler, Köln

Tod durch Pfusch an Lärmschutzwand - Prozess in Köln gestartet

Stand: 13.08.2024, 15:39 Uhr

Drei Experten für Straßenbau müssen sich seit Dienstag vor dem Kölner Landgericht verantworten. Am 13. November 2020 war auf der A3 bei Köln-Dellbrück ein etwa sechs Tonnen schweres Teil einer Lärmschutzwand auf den Kleinwagen einer 66-jährigen Frau gestürzt. Sie starb noch an der Unfallstelle.

Von Oliver Köhler

Untersuchungen der Polizei ergaben: An der Betonplatte waren Befestigungsanker aus Stahl durchgerostet. Ursache für das Versagen dieser Anker war nach Überzeugung der Kölner Staatsanwaltschaft Pfusch beim Neubau der Autobahn 3 im Kölner Osten.

Die Baufirma hatte während des Baus der Lärmschutzwand offenbar Probleme, die Betonplatte und sieben weitere baugleiche Teile an der Wand zu befestigen. Die dafür vorgesehene Befestigungsschiene war falsch angebracht. Die Stahlanker passten nicht in die Schiene. Deshalb soll laut Staatsanwaltschaft ein Ingenieur der Baufirma dafür gesorgt haben, dass die Befestigungen passend gemacht wurden. An die Anker wurden Winkel angeschweißt.

Gutachten empfahl Austausch der Stahlteile

Diese Schweißarbeiten hatten laut Staatsanwaltschaft aber dafür gesorgt, dass sich Rost bilden konnte. Die Baufirma hatte den Auftraggeber des Autobahnbaus, den Landesbetrieb Straßen.NRW, unmittelbar nach dem Einbau über die Änderungen an den Befestigungsankern informiert. Straßen.NRW hatte die Baufirma daraufhin aufgefordert, ein Gutachten über die Tragfähigkeit der geschweißten Stahlteile beizubringen.

Die Baufirma gab ein Gutachten in Auftrag. Die Expertise kam zu dem Ergebnis, dass die geschweißten Stahlteile ausgetauscht werden müssen. Denn die Tragfähigkeit für die sechs Tonnen schweren Betonplatten sei nicht gegeben. Es drohe die Durchrostung. Das war im September 2008.

Stahl rostete zwölf Jahre vor sich hin

Der zuständige Ingenieur der Baufirma soll das Gutachten laut Staatsanwaltschaft zur Kenntnis genommen, aber nichts weiter veranlasst haben, um die unsicheren Stahlteile durch haltbare Befestigungen zu ersetzen. Nur in Teilen soll er das Gutachten an Straßen.NRW weitergeleitet haben.

Polizeibeamte der Kriminalpolizei prüfen eine Betonplatte auf der A3

Beamte der Kriminalpolizei prüfen die herabgefallene Betonplatte

Zwei Monate später wurde die Lärmschutzwand von Straßen.NRW abgenommen, allerdings mit dem Vorbehalt, dass die Baufirma noch das statische Gutachten beibringen müsse. Danach hat sich aber offenbar niemand mehr um die unsicheren Befestigungen an der Autobahn 3 gekümmert. Insgesamt vergingen zwölf Jahre, in denen der Stahl vor sich hinrostete, bis schließlich eine der Betonplatten auf den Wagen der 66-jährigen Autofahrerin stürzte.

Gefahr erkannt, aber nichts unternommen?

Der 62-jährige Ingenieur der Baufirma muss sich jetzt wegen Totschlags durch Unterlassen und wegen Baugefährdung durch Unterlassen verantworten. Laut Anklage kannte er die Gefahr, habe aber nichts unternommen, um einen Unfall mit einem Todesopfer zu verhindern.

Das Gericht muss nun unter anderem klären, ob der Bereichsleiter tatsächlich um die Gefahren wusste und ob es in seiner Zuständigkeit lag, das Gutachten an Straßen.NRW weiterzuleiten.

Urteil im Dezember erwartet

Zwei Mitarbeiter von Straßen.NRW sind wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt. Sie hätten gewusst, dass die Befestigungsanker verändert wurden, so die Anklage. Dennoch hätten sie nicht dafür gesorgt, dass die Baufirma den geforderten statischen Nachweis für die Stahlteile vorlegt.

Auch bei diesen Angeklagten geht es darum, inwieweit sie für die Entgegennahme und die Prüfung des Gutachtens zuständig waren. Das Kölner Landgericht hat 26 Verhandlungstage eingeplant. Erst kurz vor Weihnachten soll ein Urteil fallen. 

Angeklagte bestreiten Vorwürfe

Zwei der Angeklagten wiesen die Vorwürfe am ersten Prozesstag zurück. Die Verteidigerin des Ingenieurs sagte, ihr Mandant habe das Gutachten "nicht zur Kenntnis genommen und erst recht nicht unterschlagen". Als Bereichsleiter sei zudem nicht er für die Montage der Platten verantwortlich gewesen, sondern der Bauleiter, der jedoch inzwischen gestorben sei.

Auch der Verteidiger eines 59-Jährigen sagte, die Abnahme und Kontrolle des Projekts habe nicht in der Zuständigkeit seines Mandanten gelegen: "Er ist nicht strafrechtlich verantwortlich für den Tod der Frau." Der dritte Angeklagte machte zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Unsere Quellen:

  • Landgericht Köln
  • Recherchen des WDR-Reporters
  • Reporter vor Ort