Prozess zu abgefallener Betonwand muss neu beginnen
Lokalzeit aus Bonn. 20.08.2024. 00:35 Min.. Verfügbar bis 20.08.2026. WDR.
Tod durch Pfusch an Lärmschutzwand - Prozess startet im September
Stand: 20.08.2024, 20:00 Uhr
Der vergangene Woche gestartete Prozess um den Tod einer Autofahrerin muss neu beginnen. Grund sei ein Einspruch der Verteidigung gegen die Entbindung einer Schöffin, teilte das Landgericht Köln am Montag mit.
Von Oliver Köhler
Für den Prozess mit insgesamt 26 Verhandlungstagen war unter anderem eine Grundschuldirektorin als Schöffin bestimmt worden. Sie hatte angegeben, an mehreren Terminen dienstlich verhindert zu sein - unter anderem am Einschulungstermin an ihrer Schule. Daraufhin war sie vom Landgericht von der Schöffentätigkeit entbunden worden. Das OLG hatte bemängelt, dass eine nötige Begründung und Dokumentation für die Entpflichtung als Schöffin fehle.
Mit dem Neustart am 2. September müssen die ersten beiden Verhandlungstermine aus der vergangenen Woche wiederholt werden. Dafür würden neue Schöffen bestimmt, die bisherigen Schöffen kämen nicht erneut zum Einsatz, sagte ein Gerichtssprecher.
Drei Männer angeklagt
Unter der sechs Tonnen schweren Platte einer Lärmschutzwand an der A3 bei Köln war im November 2020 in einem Kleinwagen eine 66-Jährige erschlagen worden. Ein 62 Jahre alter Ingenieur einer Baufirma ist wegen Totschlags durch Unterlassung angeklagt. Zwei 59-jährigen ehemaligen Mitarbeitern des Landesbetriebs Straßen.NRW wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung vor.
Untersuchungen der Polizei ergaben: An der Betonplatte waren Befestigungsanker aus Stahl durchgerostet. Ursache für das Versagen dieser Anker war nach Überzeugung der Kölner Staatsanwaltschaft Pfusch beim Neubau der Autobahn 3 im Kölner Osten.
Die Baufirma hatte während des Baus der Lärmschutzwand offenbar Probleme, die Betonplatte und sieben weitere baugleiche Teile an der Wand zu befestigen. Die dafür vorgesehene Befestigungsschiene war falsch angebracht. Die Stahlanker passten nicht in die Schiene. Deshalb soll laut Staatsanwaltschaft ein Ingenieur der Baufirma dafür gesorgt haben, dass die Befestigungen passend gemacht wurden. An die Anker wurden Winkel angeschweißt.
Gutachten empfahl Austausch der Stahlteile
Diese Schweißarbeiten hatten laut Staatsanwaltschaft aber dafür gesorgt, dass sich Rost bilden konnte. Die Baufirma hatte den Auftraggeber des Autobahnbaus, den Landesbetrieb Straßen.NRW, unmittelbar nach dem Einbau über die Änderungen an den Befestigungsankern informiert. Straßen.NRW hatte die Baufirma daraufhin aufgefordert, ein Gutachten über die Tragfähigkeit der geschweißten Stahlteile beizubringen.
Die Baufirma gab ein Gutachten in Auftrag. Die Expertise kam zu dem Ergebnis, dass die geschweißten Stahlteile ausgetauscht werden müssen. Denn die Tragfähigkeit für die sechs Tonnen schweren Betonplatten sei nicht gegeben. Es drohe die Durchrostung. Das war im September 2008.
Stahl rostete zwölf Jahre vor sich hin
Beamte der Kriminalpolizei prüfen die herabgefallene Betonplatte
Der zuständige Ingenieur der Baufirma soll das Gutachten laut Staatsanwaltschaft zur Kenntnis genommen, aber nichts weiter veranlasst haben, um die unsicheren Stahlteile durch haltbare Befestigungen zu ersetzen. Nur in Teilen soll er das Gutachten an Straßen.NRW weitergeleitet haben.
Zwei Monate später wurde die Lärmschutzwand von Straßen.NRW abgenommen, allerdings mit dem Vorbehalt, dass die Baufirma noch das statische Gutachten beibringen müsse. Danach hat sich aber offenbar niemand mehr um die unsicheren Befestigungen an der Autobahn 3 gekümmert. Insgesamt vergingen zwölf Jahre, in denen der Stahl vor sich hinrostete, bis schließlich eine der Betonplatten auf den Wagen der 66-jährigen Autofahrerin stürzte.
Unsere Quellen:
- Landgericht Köln
- Recherchen des WDR-Reporters
- Reporter vor Ort