Jetzt kontrontiert Martina Nierhoff Berufsschüler mit Raserunfällen - gemeinsam mit Polizei und Verkehrswacht. Phil Tomasy (18) bekommt eine schwere Blechschere in die Hand gedrückt. An einem leeren Autowrack kann der Berufsschüler ausprobieren, wie es ist, jemanden nach einem Unfall "rauszuschneiden“. Er hat sichtlich Spaß an dem harten Job. "Ist ganz lustig, aber der Hintergrund ist schon ernst, die Leute da so schnell wie möglich zu retten."
Quietschende Reifen überall
Die Berufs-Schüler und Azubis kommen aus dem Bergischen Städtedreieck. Illegale Rennen, Mutproben am Gaspedal – kennen tun sie das alle. "Man hört hier auch direkt vor der Schule die Reifen quietschen", sagt Phil. "Ach, in Remscheid ist das noch schlimmer", ergänzt Husam (20), "da hört man auch die extra lauten Auspuffanlagen."
Versprechen: Nur nüchtern am Steuer
In einem Klassenraum heißt es: Fingerabdruck abgeben. Und zwar auf einem Plakat, auf dem steht: "Gegen Alkohol und Drogen am Steuer". Martina Nierhoff beobachtet die Schüler dabei genau. Der symbolische Akt ist ihr sehr wichtig.
"Ich habe selbst meine Tochter durch einen Unfall verloren. Das Einzige was ich machen kann, ist, daran zu erinnern. Gegen das Vergessen zu kämpfen, damit keine anderen Familien einen Anruf bekommen, wie wir ihn bekamen".
27-Jähriger rast in Menschengruppe
Martina Nierhoff verlor ihre Tochter
Das Leben von Martina Nierhoff endete im Januar 2020. So formuliert sie es selbst. Da erfährt sie, dass ein 27-jähriger Autofahrer mit 1,9 Promille in eine Menschengruppe rast. Ihre Tochter und deren Freund sterben. Fünf weitere junge Menschen auch. Ihre jungen Zuhörer heute hören all das mit bewegten Gesichtern.
Durch die Schulen zu ziehen um aufzuklären, das sei dabei ihre Waffe. Genau wie die Emotionalität.
Alkohol durch die Brille erleben
Auf dem Hof der Berufsschule sollen die Schüler derweil eine lange mehrfach geschwungene Linie langgehen. Mit einer Art Taucherbrille auf. Deren Sichtfeld ist so verschwommen und unklar, wie die Sicht bei 0,8 Promille oder mehr. Klar: An der Linie lang, das klappt so natürlich nicht. Ein Aha-Erlebnis für den 18 Jahre alten Dustin Hager. "Ist schon erschreckend, was Alkohol mit deinem Körper macht."
Überschlag- und Aufprall-Simulator, der Einblick in einen Rettungswagen – das Aufklärungs-Angebot für die Berufsschüler ist groß.
Irgendwann gibt es den nächsten Raserunfall
Trotzdem: Irgendwann wird es den nächsten Raser- oder Alkohol-Unfall mit jungen Autofahrern geben. Das weiß auch Holger Brunner von der Verkehrsunfallprävention der Wuppertaler Polizei. "Am besten ist jetzt natürlich, dass die Schüler das weitererzählen, was sie hier mitbekommen. Ich merke, dass es Ihnen nahe geht. Da fließt auch schon mal ein Tränchen".
Über das Thema berichtet die Lokalzeit Bergisches Land am 20.06.2023.