Wegen des Brauchtums: Neusser Schützen wollen weiter keine Frauen

Stand: 16.12.2022, 13:15 Uhr

Der Neusser Bürger-Schützen-Verein hat sich am Donnerstag gegen eine passive Mitgliedschaft für Frauen entschieden - eine aktive stand gar nicht zur Wahl.

Beim Neusser Schützenfest marschieren tausende Männer mit - und keine einzige Frau. Und das wird auch so bleiben: Der Neusser Bürger-Schützen-Verein hat eine passive Mitgliedschaft für Frauen abgelehnt - eine aktive stand nicht zur Wahl.

Der Verein begründet dies damit, dass es Teil des Brauchtums und der Tradition sei, dass der Schützenverein ein Männerverein ist. Und dieses Brauchtum gelte es zu pflegen.

Sorge, dass Sponsoren abspringen

Viele Frauen, die an der Jahreshauptversammlung am Donnerstagabend teilgenommen haben, sind enttäuscht. Sie fürchten, dass nun Firmen ihre finanzielle Unterstützung für die Schützen reduzieren könnten, wenn dies nicht mit ihren Compliance-Regeln vereinbar ist.

Vor der Jahreshauptversammlung hatte sich die Kritik aus den eigenen Reihen und aus der Politik gemehrt, dass Frauen bisher lediglich in den Musikkapellen dabei sein dürfen. Die Ratsfraktion Linke/Die Partei fordert, den Neusser Schützen die städtischen Mittel zu streichen, sollten sie auch weiterhin nur Männer aufnehmen wollen.

"Ich darf nicht mitmarschieren"

Constanze Stroeks, die im März diesen Jahres beim WDR Stadtgespräch zu diesem Thema mitdiskutiert hat, meint: Viele Dinge, die Männer dürfen, sind für sie nicht möglich.

"Ich darf nicht mitmarschieren! " Constanze Stroeks

Außerdem habe sie keinerlei Wahlrecht, sagt Stroeks, "also weder aktiv noch passiv. Den Vorstand des Vereins, das sogenannte Komitee, das darf ich nicht wählen und mich nicht rein wählen lassen. Und ich darf keine Schützenkönigin werden."

Stroeks forderte die vollen Mitgliedsrechte für Frauen.

Vor drei Jahren eine zarte Öffnung

Mitte Juli 2019 sahen sich die Neusser Schützen erstmals einer Neuheit gegenüber, die auch viel diskutiert wurde. Frauen durften der traditionellen Bürgerversammlung beiwohnen. Dort wird Jahr für Jahr beschlossen, ob es in Neuss ein Schützenfest geben soll.

Weibliche Schützen in Neuss-Erfttal und Dormagen

Schützenvereine, die nur männliche Mitglieder aufnehmen, sind in Neuss die Regel. Eine Ausnahme bildet der Bürger-Schützenverein im Stadtteil Erfttal. Seit 50 Jahren werden dort auch Frauen aufgenommen.

Dennoch legt man auch in Neuss-Erfttal Wert auf eine optische Trennung. Rebecca Deuss, Schützin im Erfttaler Schützenverein, hat 2019 sogar einen neuen Zug gegründet: Die "Frechen Röskes". Einige Mitglieder des Zuges kommen aus der Innenstadt extra nach Erfttal, weil sie dort mitmarschieren dürfen.

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Auch in anderen Städten sind Frauen aus der Schützen-Welt nicht mehr wegzudenken. In Dormagen gibt es beispielsweise einen reinen Frauenzug: die Herzdamen. Sie werden beim nächsten Schützenfest zum ersten Mal mitlaufen.

Könnte die Entscheidung negative Auswirkungen für den Schützenverein haben?

Das Schützenfest in Neuss gilt als das größte der Welt – und deswegen ist der Bürgerschützenverein ersteinmal nicht auf neue Mitgliedsbeiträge angewiesen. Finanziell hat es zunächst auch keine direkten Folgen.

Aber: Der Schützenverein ist ein gemeinnütziger Verein und hat deshalb steuerliche Vorteile. Er bekommt zum Beispiel auch eine finanzielle Förderung von der Stadt Neuss. Gemeinnützige Vereine dürfen Frauen aber nicht ohne besonderen Grund ausgrenzen, also nur, wenn das zum Beispiel ein Verein für alleinerziehende Männer wäre.  Das hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil festgehalten. Es könnte also sein, dass der Schützenverein in Neuss seine Gemeinnützigkeit verliert. Außerdem befürchten manche Mitglieder, dass Unternehmen ihre Unterstützung für den Verein streichen, wenn der beispielsweise nicht mit den eigenen Compliance-Regeln übereinstimmt.

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