Rainer Maria Wölki, 18.03.2021

Sexuelle Übergriffe: Neue Dokumente belasten Kardinal Woelki schwer

Stand: 23.09.2022, 17:15 Uhr

Der Kölner Kardinal Woelki soll viel zu spät disziplinarrechtlich gegen den früheren stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten vorgegangen sein. Das belegen neue Dokumente, die dem WDR vorliegen.

Von Jochen Hilgers und Markus Schmitz

Es geht um ein Schreiben von Kardinal Woelki an den damaligen Chef der Glaubenskongregation im Vatikan Luis Kardinal Ladaria Ferrer. In dem vierseitigen Schreiben, wohl aus dem Herbst 2018, das dem WDR zugespielt wurde, führt Woelki penibel verschiedene sexuelle Übergriffe des Pfarrers gegen Jugendliche auf.

Der soll zum Beispiel mit minderjährigen jugendlichen Ministranten häufig Saunabesuche unternommen und sie zu alkoholischen Getränken eingeladen haben. Danach sollen gemeinsam Pornofilme geschaut worden sein.

Mit einem 19-Jährigen soll er in seiner Wohnung gegen den Willen des jungen Mannes Pornofilme geschaut und sich in seiner Gegenwart selbst befriedigt haben. Dem 19-Jährigen sei es erst um vier Uhr morgens gelungen, die Wohnung des Geistlichen zu verlassen.

In Woelkis Schreiben an Kardinal Ladaria heißt es am Ende: "Eminenz, ich bitte Sie freundlich um Weisung, ob und ggf. welche Schritte in dieser Causa nötig sind. Ihnen in Christus verbunden".

Woelki mit "hochrotem Kopf"

Pikant: das Schreiben von Woelki an Ladaria soll von Teilnehmern während der zweitägigen Klausur der Stadt-und Kreisdechanten in Köln gezeigt worden sein. Woelki, so schildern es Teilnehmer unabhängig voneinander, soll daraufhin den Raum mit hochrotem Kopf verlassen haben. Offenbar, so die Schlussfolgerung der Teilnehmer, hatte der Kardinal nicht damit gerechnet, dass außer ihm noch jemand das Schreiben kennt.

Späte Anzeige bei der Staatsanwaltschaft

Über eine Antwort von Kardinal Ladaria ist nichts bekannt. Ob er zum Beispiel überhaupt eine Empfehlung abgegeben hat. Kritiker sehen aber mit Erstaunen, dass der stellvertretende Stadtdechant offenbar erst knapp drei Jahre später beurlaubt wurde. Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf erfolgte offenbar ebenso spät.

Anzeige hätte schneller erfolgen müssen

Der Kirchenrechtler Bernhard Anuth, Professor in Tübingen hat das Schreiben Woelkis an Ladaria für den WDR analysiert. Er schreibt, dass 2018 parallel zur Meldung nach Rom auch eine Anzeige bei den staatlichen Strafverfolgungsbehörden hätte erfolgen müssen. Prof. Anuth bezieht sich dabei auf die damals geltenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz. In Woelkis Auflistung der Vorwürfe seien Anhaltspunkte für Straftaten unübersehbar enthalten. 

Die Glaubwürdigkeit Woelkis ist endgültig zerstört. Maria Mesrian
Maria 2.0

Kirchoppositionelle sind fassungslos

Die Kirchenoppositionelle Maria Mesrian von Maria 2.0 ist fassungslos und glaubt, dass die Glaubwürdigkeit Woelkis nun endgültig zerstört sei. Bei der Staatsanwaltschaft Köln sind inzwischen Strafanzeigen gegen Woelki eingegangen, sagt der Leiter der politischen Abteilung Ulf Willuhn.

Strafanzeigen gegen Woelki

Im Zusammenhang mit den Düsseldorfer Missbrauchsfällen hat zum Beispiel ein Rechtsanwalt bei der Kölner Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen falscher eidesstattlicher Versicherung gegen Woelki gestellt. Der Hintergrund: Der Rechtsanwalt bezweifelt, dass Woelki, wie von ihm behauptet, 2017 die Personalakte des Düsseldorfer Pfarrers nicht kannte.

Erzbistum: Alles nur Gerüchte

Am 4. September 2015 war der Pfarrer vom Interventionsbeauftragten des Erzbistums nämlich bereits zu einer Anhörung eingeladen worden. In diesem Schreiben steht, dass zur Anhörung "auf Anweisung unseres Erzbischofs, Kardinal Woelki"  geladen werde. In einer Stellungnahme zu den Vorwürfen sprach das Erzbistum erneut davon, es handele sich nur um Gerüchte.

Es sei falsch, dass Woelki 2015 über die Verfehlungen des Pfarrers informiert gewesen sein. Auch 2018 habe er lediglich Informationen und Klagen nach Rom gemeldet, die bislang unbewiesen waren.

Über dieses Thema berichten wir auch am 23.09.2022 in den Lokalzeiten im WDR Hörfunk und im Fernsehen.