Fahren ohne Ticket: Kritik an Haftstrafen

Stand: 16.11.2022, 15:51 Uhr

Wer mehrfach ohne Ticket in der Bahn erwischt wird und später die Strafen nicht zahlen kann, muss damit rechnen, im Gefängnis zu landen. Gisa aus Düsseldorf erlebt das gerade.

Gisa hat Drogenprobleme und Obdachlosigkeit hinter sich lassen können. Geld ist bei ihr trotzdem immer noch knapp. Mehrfach wurde sie ohne Fahrschein in Bussen oder Bahnen erwischt, kann die Strafe aber nicht zahlen. Vor gut zwei Wochen steht fest: Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilt Gisa, sie muss sechs Monate ins Gefängnis.

Sozialarbeiter: Gisa wird aus sozialem Umfeld gerissen

Während Gisa also ihre Haft absitzen muss, wird die Kritik an solchen Strafen lauter. Vor dem Gesetz gilt das Fahren ohne Fahrschein als "Erschleichen von Leistungen", somit als Straftat – und wird dementsprechend hart sanktioniert. Wer Probleme hat, die Strafe zu begleichen, muss seine Geldbuße als letztes Mittel mit einer Haft absitzen.

Einige Menschen demonstrieren vor dem Gerichtstermin gegen Gisa in Düsseldorf. Das Amtsgericht verurteilt sie zu einer Haftstrafe.

Menschen demonstrieren gegen die Haftstrafe von Gisa.

Sozialarbeiter Oliver Ongaro von der Obdachlosenhilfe "fiftyfifty" kann das in Bezug auf Gisa nicht nachvollziehen: "Hier hauen wir eine Frau raus aus ihrem Leben, was im Vergleich zu früheren Zeiten wirklich gut strukturiert war." Gisa habe sich an vielen sozialen Projekten beteiligt und so auch einen Dienst an der Gesellschaft geleistet, meint Ongaro. "Das hat dann schon eine Schieflage."

Fahren ohne Ticket bald Ordnungswidrigkeit?

Sowohl Sozialarbeiter als auch Rechtsexperten kritisieren die aktuelle Regelung. Ongaro würde es sinnvoller finden, wenn Fahren ohne Fahrschein in Zukunft als Ordnungswidrigkeit gewertet werden würde. Strafrechtsdozent Sven Christoph Wolf schätzt die Lage so ein: "Wer dazu neigt, diese Taten zu begehen, und diesbezüglich auch verurteilt wird, hat in der Regel ganz andere Probleme." So ein Problem sei eher durch Sozialarbeit zu lösen als durch das Strafrecht.

Die Bundesregierung will im kommenden Jahr prüfen, ob die Strafen angepasst werden sollen. Die Lösung könnten mehr Bewährungsstrafen, Sozialarbeit und Therapie-Angebote sein. Das würde auch der Allgemeinheit nützen: Denn ein Gefängnisplatz kostet den Steuerzahler durchschnittlich 170 Euro am Tag.

Immer mehr Unterstützung für Gisa

Wie es in Gisas Fall weitergeht, ist noch nicht klar. Am Mittwoch haben sich bekannte Personen aus Düsseldorf zu Wort gemeldet und in einem offenen Brief gefordert, dass Gisa begnadigt wird. Laut "fiftyfifty" wurde der Brief unter anderem von Breiti von den Toten Hosen, Karnevalswagenbauer Jacques Tilly und Satiriker Martin Sonneborn unterzeichnet. Ihr erneutes Statement: Arme Menschen, die ohne Fahrschein erwischt werden, in Haft zu stecken, sei grundsätzlich kontraproduktiv.

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