Fehlende Kita-Assistenzen für Kinder mit Behinderung
Lokalzeit aus Düsseldorf. 08.10.2024. 02:38 Min.. Verfügbar bis 08.10.2026. WDR. Von Andreas Turnsek.
Eltern-Initiative: "Inklusion an Kitas in Gefahr"
Stand: 09.10.2024, 13:23 Uhr
Schleppende Bewilligungsverfahren für inklusive Assistenz machen Eltern von Kindern mit Behinderung zu schaffen. In einem offenen Brief kritisiert die Eltern-Initiative eine "geänderte Bewilligungspraxis des LVR".
"Viele Eltern gehen auf dem Zahnfleisch", erzählt Marlen Hagemann aus Haan und meint damit Betroffene aus dem Elternnetzwerk "Gemischte Tüte e.V.", Eltern mit behinderten Kindern, die an den Kitas auf Assistenz-Helfende angewiesen sind. Sie selbst und ihr Mann Marcel haben drei Kinder, zwei haben Beeinträchtigungen.
Für den fünfjährigen Karl ist es das letzte Kita-Jahr, durch eine seltene Krankheit kann er nicht sprechen, kann nur mit Hilfe am Kita-Leben teilnehmen. Doch seine Eltern haben vom Landschaftsverband Rheinland keine Zusage für die Fortsetzung der Inklusions-Hilfe.
"Es ist ein krasser Aufwand für uns Eltern"
Marcel Hagemann ersetzt zur Zeit, wenn es geht, die inklusive Assistenz und steht seinem Sohn selbst zur Seite. Etwa als Karl sein Sportabzeichen gemacht hat. "Das hätte die Kita nie im Leben selbst stemmen können ohne Assistenz-Helfer", meint Hagemann. Und Karl hätte nie das Sportabzeichen ohne seinen Vater in der Kita machen können. "Diese Zeit muss ich natürlich nacharbeiten", ergänzt Hagemann, "abends, wenn die Kinder schlafen". Von einem "krassen Aufwand" der Eltern in dieser Situation spricht der Familienvater aus Haan.
Kritik der Eltern-Initiative: Viele Anträge vom LVR seien unbearbeitet
Viele fristgerecht gestellte Anträge auf inklusive Assistenz seien vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) auch zu Beginn des neuen Kitajahres noch nicht beschieden worden. Außerdem gebe es zahlreiche Ablehnungen von Erstanträgen und plötzliche Stundenkürzungen gegenüber dem Vorjahr. Das ist die harsche Kritik der Initiative "Gemischte Tüte" für Eltern mit Kindern mit seltenen Krankheiten oder Behinderungen.
Die in einem offenen Brief geäußerte Befürchtung: "Angesichts des Ausmaßes der aktuellen Schwierigkeiten werden zukünftig immer weniger Kitas bereit sein, Kinder mit (komplexer) Behinderung aufzunehmen."
"Die Ungewissheit lässt uns Nachts nicht schlafen!"
Auch die Mönchengladbacher Augenärztin Dr. Susanne Angel ist davon betroffen. Wenn sie nicht in der Praxis sei, könne sie kein Geld verdienen. Sie habe kaum Spielraum, in der Kita einzuspringen, wenn ihr sechsjähriger Sohn mit Beeinträchtigung Hilfe brauche. "Wenn eine Frist abläuft, wenn von einem Antrag abhängt, ob mein Kind weiter im gleichen Umfang seine Teilhabe in der Kita ausleben kann, lässt einen das Nachts nicht schlafen", sagt Angel.
Landschaftverband: Wir nehmen Kritik ernst
"Die Kritik des Elternnetzwerks „Gemischte Tüte“ haben wir wahrgenommen und nehmen sie natürlich ernst. Aus diesem Grund haben wir dem Verein auch ein Gesprächsangebot gemacht und sind jederzeit zu einem offenen Austausch bereit und erklären gerne auch Fragen zu unserer Bewilligungspraxis", antwortete der LVR auf WDR-Anfrage. Die Probleme jeder einzelnen Familie durch die veränderte Stundenzahl könne man nachvollziehen, schreibt die Bewilligungsbehörde. Das gelte auch für die individuelle 1:1 Betreuung.
Auch die Probleme in den Kitas durch Fachkräftemangel und Personalausfallzeiten seien dem LVR-Jugendamt bekannt. "Wir wissen, welche schwierigen Situationen hieraus für Einrichtungen und Familien entstehen können", hieß es in der Stellungnahme, die dem WDR schriftlich vorliegt
Unsere Quellen:
- Offener Brief Elterninitiative „Gemischte Tüte e.V.“
- Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfach-Behinderung NRW
- Reporter vor Ort
- Stellungnahme LVR-Dezernat Kinder, Jugend und Familie