Mehrere Personen stehen in einem Gerichtssahl.

Bonner Neujahrskrawalle vor Gericht

Stand: 30.01.2024, 18:43 Uhr

In Bonn hat am Dienstag die juristische Aufarbeitung der Ausschreitungen im Stadtteil Medinghoven am Neujahrsmorgen 2023 begonnen. Ein Mob hatte Feuerwehrleute und Polizisten angegriffen.

Von Tobias Al Shomer

Ein Mob von bis zu 40 Personen hatte Feuerwehrleute und Polizisten mit Raketen und Böllern angegriffen. Umfangreiche Ermittlungen führten zu insgesamt 12 Angeklagten. Sieben von ihnen sitzen seit heute auf der Anklagebank im Saal S.011 des Landgerichts Bonn.

Landfriedensbruch und versuchte gefährliche Körperverletzung

Die Staatsanwaltschaft Bonn hat sie wegen gemeinschaftlichen Landfriedensbruch, Widerstand gegen und Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Wer sind die mutmaßlichen Randalierer? Der älteste ist 34 Jahre alt. Sechs der sieben Angeklagten sind zwischen 18 und 20 Jahre alt. Sie gelten als Heranwachsende. Das bedeutet: für sie kommt eine Jugendstrafe in Betracht.

Mehrere Personen stehen in einem Gerichtssahl vor einer Leinwand mit dem Wappen von NRW.

Das Landgericht Bonn befasste sich mit den Krawallen von Medinghoven

Doch zu Beginn des Verfahrens sagt der Vorsitzende Richter Volker Kunkel, dass seiner ersten Einschätzung zufolge bei allen am Ende des Verfahrens nicht einmal zwingend eine Jugendstrafe stehen müsse, denn alle seien strafrechtlich bislang kaum in Erscheinung getreten.

Erleichterung bei Angeklagten

Das bedeutet nicht, dass sie gar keine Strafe erwartet. Doch es besteht auch die Möglichkeit, bei erwiesener Schuld Sozialstunden anzuordnen oder eine Geldstrafe zu verhängen, erklärt Gerichtssprecherin Gerlind Keller. Die Jugendstrafe sei die härteste Sanktionsform.

Nach der Einordnung des Richters ist den jungen Angeklagten die Erleichterung anzusehen. Vor der Verhandlung wirken sie angespannt, sitzen überwiegend mit gesenktem Haupt. Es ist gut sichtbar, wie unangenehm ihnen dieser Termin ist, weil sie am Neujahrsmorgen 2023 randaliert haben sollen. Doch direkt nach den Ausschreitungen war von dieser Reue wenig sichtbar.

In Videos Randale gefeiert

Nur wenige Stunden nach den Ausschreitungen gab es erste Videos davon im Internet. Teils mit Musik unterlegt wirkte es so, dass die Urheber die Randale feiern wollten. Zu sehen waren brennende Barrikaden und Vermummte, die Feuerwerksraketen in Richtung der Einsatzkräfte feuern. Auch Böller waren zu hören. Die Ausschreitungen schockten die Bewohner Medinghovens.

Bürgerkriegsähnliche Szenen

Polizeiauto auf der Straße

Großer Polizeieinsatz am Neujahrsmorgen 2023

Es sind Bilder, die einem Bürgerkriegsszenario ähneln, einem Aufstand gegen Polizei und Feuerwehr - gegen das System. Offenbar ist all das kein Zufall. Die Ermittler gingen akribisch vor, durchsuchten Wohnungen der Tatverdächtigen. Dabei stießen sie auf die Kommunikation der Gruppe. Die soll sich über eine WhatsApp-Gruppe zu den Krawallen verabredet haben.

Für die Angeklagten soll der Film "Athena" Vorbild gewesen sein. Er ist auf dem Internetportal Netflix zu sehen. Darin geht es um einen Aufstand in einem von Armut geprägten, frei erfundenen Stadtviertel in Paris.

Im Film wird sogar ein Polizist entführt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die mutmaßlichen Randalierer auch so etwas planten.

Stigmatisierter Stadtteil

Medinghoven ist der Stadtteil mit der höchsten Arbeitslosenquote in Bonn. Mehr als die Hälfte der Einwohner bezieht Bürgergeld. Von den 12 Angeklagten leben aber nur wenige hier. Die meisten sind in anderen Stadtvierteln gemeldet. Viele im Viertel fühlen sich deshalb zu Unrecht stigmatisiert.

Spannungen abbauen

Tatsächlich ist die Kriminalitätsrate im Stadtteil nicht überdurchschnittlich, sondern vollkommen normal, wie die Polizei Bonn erklärt. Doch im Jugendzentrum leugnen sie nicht, dass die Jugendlichen teils Vorbehalte gegenüber der Polizei haben. Manche sehen sich unter Generalverdacht.

Das soll anders werden. Erste Treffen zwischen Polizei und Jugendlichen gab es bereits, um dieses Verhältnis zu entspannen.

Unsere Quellen:

  • WDR-Recherchen
  • Reporter vor Ort
  • Polizei
  • Landgericht Bonn
  • bisherige Berichterstattung