Abrissreifes Hochhaus mit Mobilfunkmasten

Bergheimer Stadtteil einen Monat ohne Handynetz

Stand: 19.06.2024, 17:47 Uhr

Die Bürger von Quadrath-Ichendorf sind genervt: Kunden von o2 und 1&1 können nicht mehr mit dem Handy telefonieren. Eine Situation, die im Notfall gefährlich werden kann.

Von Christian Bongers

Normalerweise geht es im größten Bergheimer Stadtteil Quadrath-Ichendorf beschaulich zu. Sanft wiegen die Blätter der Bäume vor dem aus dunklen Backsteinen gebauten Bahnhof im Wind. Und auch Sabine Bordych steuert ihren Rollator routiniert in Richtung Supermarkt. Doch spricht man sie auf das Telefonnetz in ihrem Stadtteil an, bricht es aus ihr heraus.

"Hörst du mich? Hörst du mich?" Eine Frage, die sie seit mehr als einem Monat immer wieder von Fußgängern auf ihrer Straße aufschnappt. Denn viele Handynutzer in Quadrath-Ichendorf haben seit Mitte Mai kein Handynetz zum Telefonieren. Laut Bürgermeister Volker Mießeler betreffen die Netzprobleme Anwohner in einen Radius von bis zu drei Kilometern.

Mobilfunkmast abgeschaltet - bisher ohne Ersatz

"Ich kann nicht telefonieren. Bei uns im Haus müssen alle Leute auf die Straße rausgehen - egal ob sechster oder zehnter Stock. Vor der Haustür gibt es manchmal etwas Empfang," sagt Sabine Bordych. Direkt hinter ihr ragt ein abbruchreifes, beiges Hochhaus mit zugenagelten Fenstern in die Höhe. Die Mobilfunkmasten, die dort auf dem Dach stehen, mussten vor dem Abbruch abgeschaltet werden.

Große Sorge im Notfall ohne Netz dazustehen

David Welschoff mit seiner Mutter Sabine Bordych (mit Rollator) vor dem Bahnhof

David Welschoff und Sabine Bordych haben seit Wochen schlechtes Handynetz.

"Wenn man wichtige Telefonate führen muss, oder angerufen wird, ist es schon übel," sagt sie. Dass es noch immer keinen Ersatz gibt, ist vor allem im medizinischen Notfall ein Problem: "Ich brauche manchmal Hilfe und wenn ich dann telefonieren will und kann nicht… das geht gar nicht," sagt sie und schiebt ihren Rollator dabei hin und her.

Ihr Sohn David Welschoff pflichtet ihr bei: "Ich habe 5G aktuell, das neueste Handy und trotzdem nur zwei Striche." Das reiche nicht zum Telefonieren. Freunde oder Arbeitskollegen verweist er auf das Festnetz-Telefon. Eine Lösung sei das aber nicht. "Man ist ja nicht den ganzen Tag zu Hause. Als angehender Architekt ist auch mein Beruf davon betroffen. Ich bin unterwegs im Ort. Und selbst Whatsapp-Nachrichten brauchen Ewigkeiten, bis sie verschickt sind."

Ein paar Kilometer weiter klingelt das Handy wieder

Mann am Bahnhof in Quadrath-Ichendorf

Erik Schlosser hat sich einen Festnetzanschluss zugelegt.

Ein paar Meter weiter am Bahnhof wartet Caterer Erik Schlosser auf den Zug zurück ins Mobilfunknetz. "Sobald ich hier aus der Gegend raus bin, funktioniert alles wunderbar." Damit er wenigstens zu Hause erreichbar ist, habe er sich extra einen Festnetzanschluss besorgt. Denn auch dort versagt sein Handynetz: Ein Balken - und das sei der Glücksfall. "Wenn ich mich aus dem Küchenfenster hänge, habe ich vielleicht einen zweiten, aber das war’s schon."

Seit Wochen wissen Freunde und Familie, dass er nur noch über Whatsapp erreichbar ist. Sorgenvoll geht sein Blick in Richtung Bahn-Anzeigetafel. Auf Dauer gehe das natürlich nicht, sagt er. Schließlich muss er für die Arbeit stets gut erreichbar sein.

Bürgermeister erhält keine Antwort

Dicke Luft herrscht auch im Bergheimer Rathaus. Jeden Tag arbeitet Bürgermeister Volker Mießeler Stapel von Unterlagen ab und sorgt dafür, dass das Leben in Bergheim funktioniert. Doch das Problem mit dem Mobilfunknetz kann er trotz täglicher Mails und Anrufe nicht lösen. Denn er bekommt schlichtweg keine Antwort.


"Es gibt nicht viele Themen, die mich wütend machen, aber das ist ein solches Thema. Wenn ich sehe, mit welcher Ignoranz und mit welchem Desinteresse hier seitens des Antennenbetreibers mit den Problemen der Betroffenen umgegangen wird, dann macht mich das wütend."
Volker Mießeler

Andere Betreiber reagierten schneller

Bürgermeister Volker Mießeler im Büro

Bürgermeister Volker Mießeler versucht, das Problem zu lösen.

Für ihn ist nicht begreiflich, warum Telefónica - der Betreiber des Mobilfunkmastes - noch nicht für einen neuen Standort gesorgt hat. Anders war es bei dem Mast, der für das Netz der Telekom sorgt. In dem Fall hätte der Wechsel vom abrissreifen Hochhaus hervorragend funktioniert. Mießeler sagt, er hätte sogar schon überlegt, jemanden zum Firmensitz zu schicken und anzuklopfen.

Telefónica verspricht schnelle Besserung

Wie viele Kunden von den Netzproblemen betroffen sind, verrät der verantwortliche Anbieter Telefónica auf WDR-Anfrage nicht. Er verspricht jedoch schnelle Besserung. Die Netztechniker würden daran arbeiten, umliegende Standorte zu optimieren. Außerdem sei man auf der Suche nach einem neuen Standort für den Mobilfunkmasten. Kurzfristig würde man einen mobilen Mast als temporäre Lösung aufbauen. Dafür hoffe man jedoch auf die Unterstützung der Stadt Bergheim.

Bei Bürgermeister Volker Mießeler sorgen solche Ansagen für Verwunderung. Denn das Unternehmen, das sich für die Telefónica um den Mast kümmern soll, habe sich bis heute noch nicht bei ihm gemeldet.

Unsere Quellen:

  • Stadt Bergheim
  • Telefónica
  • WDR Reporter vor Ort