Eine Grünfläche im Park, die mit Müll bedeckt ist.

Bundestag beschließt Plastikabgabe: Lob vom Städtetag, Kritik von Branchenvertretern

Stand: 03.03.2023, 19:16 Uhr

Dass der Bundestag die Plastikabgabe beschlossen hat, stößt erwartungsgemäß auf ein geteiltes Echo. Während Städtetag und Entsorger die Sonderabgabe für Einwegplastik begrüßen, hagelt es von Branchenvertretern Kritik.

Von Christian Zelle

Der Bundesrat muss der vom Bundestag beschlossenen Sonderabgabe für Produkte aus Einwegplastik zwar noch zustimmen, aber Freude und Ärger über das Gesetz sind schon unabhängig vor seiner Rechtsgültigkeit klar verteilt. Die Städte und Gemeinden freuen sich auf eine finanzielle Entlastung bei der Reinigung von Straßen und Parks, Verbandsvertreter betroffener Hersteller beklagen eine Doppelbelastung für Bürgerinnen und Bürger.

Wer ist von der Abgabe betroffen?

Mit dem am Donnerstagabend verabschiedeten Gesetz müssen die Hersteller bestimmter Getränkebecher, Essensverpackungen oder Zigaretten künftig in einen staatlichen Fonds einzahlen und sich so an den Kosten für die Beseitigung weggeworfener Kaffeebecher und Chipstüten beteiligen.

Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, sagt, dass davon letztlich alle To-Go-Produkte mit einem Kunststoffanteil in der Einweg-Verpackung betroffen seien. Die Sonderabgabe solle rund 55.000 Unternehmen betreffen - von der kleinen Eisdiele bis hin zu Fastfood-Ketten, die Speisen oder Getränke zum Mitnehmen anbieten.

Zudem seien auch Tabakprodukte mit Filter betroffen und kurzfristig seien noch Feuerwerkskörper mit ins Gesetz gerutscht. Davon sei lange gar nicht die Rede gewesen.

Wie hoch sind die Mehrkosten und wer trägt sie?

Durch die Sonderabgabe sollen mehr als 400 Millionen Euro in die Kassen der Kommunen gespült werden. Eine Summe, die Patrick Hasenkamp, Vizepräsident Verband kommunaler Unternehmen (VKU), begrüßt. "Das ist ein guter Einstieg in zukünftige wirklich wirksame Littering-Maßnahmen." Mit "Littering" spricht Hasenkamp die Vermüllung des öffentlichen Raums an. Es sei gut, dass die "aus unserer Sicht verursachende, in Verkehr bringende Industrie - die Händler - mit in die Pflicht" genommen werden.

Wer mit der Herstellung und dem Verkauf bestimmter Einweg-Produkte Geld verdient, soll sich auch an den Reinigungskosten beteiligen müssen. Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages

Helmut Dedy

"Es ist gut, dass die Plastikabgabe endlich kommt", sagt auch Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW. Die Kosten für die Entsorgung von achtlos weggeworfenen Verpackungsmüll stiegen jährlich. "Die NRW-Kommunen geben jährlich mehr als 100 Millionen Euro für die Beseitigung von Müll im öffentlichen Raum aus", so Dedy. Er glaubt, dass auch die Bürgerinnen und Bürger von sauberen Parks und Plätzen profitieren.

Da sind Branchenvertreter deutlich skeptischer. Andreas Gayk, Geschäftsführer des Markenverbandes, fürchtet eher, dass Bürger doppelt belastet werden könnten: "Einerseits durch die Abfallgebühren und andererseits durch den Aufschlag der zusätzlichen Kosten auf die Produktpreise." Das sieht Engelmann genauso, zumal die Entsorger keine Senkung der Abfallgebühren angekündigt hätten.

Was für Effekte erhofft man sich?

Patrick Hasenkamp vor Reinigungsfahrzeugen

Patrick Hasenkamp

Der Städtetag NRW und die kommunalen Unternehmen versprechen sich von dem Gesetz sauberere Städte und einen zusätzlichen Schub für mehr Nachhaltigkeit. VKU-Vizepräsident Hasenkamp hofft, dass die Industrie jetzt "effektiv und schnell" darüber nachdenkt, Einwegmaterialien durch "mehrwegfähige Systeme" zu ersetzen. "Ein aktiver Beitrag zur Abfallvermeidung" sei das Ziel.

Solche Systeme gebe es bereits, und Mehrwegsysteme seien regional bei kurzen Transportwegen und geringem Gewicht eine "vernünftige Lösung", bestätigt Engelmann. Angesichts der Tatsache, dass etwa Imbissbuden, Kaffees und Eisdielen für einen Großteil des Plastikmülls verantwortlich seien, ließe sich diese eben nur nicht so leicht einführen. Engelmann verweist in diesem Zusammenhang auf die seit dem Jahreswechsel geltende Mehrwegpflicht für Restaurants, Bistros und Cafés, bei deren Umsetzung es noch hapert.

Branchenvertreter sind auch mit Blick auf mehr Sauberkeit skeptisch: "Denn warum sollte derjenige, der ein solches Produkt einfach so wegwirft, sein Verhalten ändern, bloß, weil die Kommune die Reinigungskosten durch die Wirtschaft erstattet bekommt", fragt Gayk.

Kritik an dem Gesetzesvorschlag

Städte-Vertreter Dedy geht das Gesetz wie Hasenkamp nicht weit genug: "Ob der Einweg-Müll aus Plastik, Pappe oder Aluminium ist, macht für den Aufwand und die Kosten bei der Reinigung keinen Unterschied." Deswegen sei es gut, dass das Gesetz eine Evaluierung vorsehe, "bei der auch geprüft werden soll, ob die Abgabe auf weitere Einwegmaterialien ausgeweitet wird".

Das Gesetz ist ein absehbares Desaster. Martin Engelmann von der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen

Vor diesem Hintergrund hält Branchenvertreter Engelmann es für bedeutsam, dass die Feuerwerkskörper noch ins Gesetz genommen worden sind: "Für die Kommunen war das wichtig, weil sie Tür für weitere Produkte aufgemacht haben" - unabhängig vom Kunststoffgehalt.

Portrait von Dr. Martin Engelmann

Martin Engelmann

Das Gesetz selbst hält Engelmann für ein "absehbares Desaster". Die Wirtschaft habe sich im Vorfeld für ein privatrechtliches Modell ausgesprochen, welches deutlich effizienter sei. Bei dem Bundesumweltministerium, das sich vor allem mit dem Aufbau eines Registers für die Anbieter der To-Go-Produkte viel vorgenommen habe, sieht er das Projekt nicht in guten Händen.

An dem jetzigen Vorstoß stört Engelmann vor allem, dass die betroffenen Produkte nur 5,6 Prozent der gesamten Abfälle im öffentlichen Raum ausmachten, deren Hersteller aber mit 17 Prozent der gesamten Sammlungs- und Reinigungskosten der Kommunen zur Kasse gebeten werden. In dem Gesetz werden zur Ermittlung der Kosten auch Volumen und Stückzahl der Abfälle herangezogen und nicht nur das Gewicht, was die Kosten hochtreibe.

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