Napoleon, verehrt, verflucht – und jetzt als Blockbuster im Kino

Aktuelle Stunde 23.11.2023 UT Verfügbar bis 23.11.2025 WDR Von Claudia Weber

"Napoleon" aus Hollywood: Wie gut ist der neue Historien-Film?

Stand: 23.11.2023, 20:12 Uhr

Ein weiterer Historienschinken kommt in die Kinos: Mit "Napoleon" hat Hollywood-Regisseur Ridley Scott ein Epos vorgelegt, an dem sich jetzt schon die Geister scheiden. Der Film sei voller Fehler, sagt ein Historiker.

Die Eckdaten klingen gewaltig: Zwei Stunden und 40 Minuten lang ist der Streifen, Hollywood-Star Joaquin Phoenix spielt den Bonaparte, in weiteren Rollen sind Vanessa Kirby und Tahar Rahim zu sehen. Regie führte der Brite Ridley Scott, der bereits mit Filmen wie "Blade Runner", "Gladiator" und "Alien" große Erfolge feierte.

Das Echo der deutschen Kinokritik allerdings ist bereits jetzt geteilt: Von einem "eindrucksvollen Schlachtengemälde" sprechen die einen, vom "Waterloo" des Regisseurs die anderen. Am Donnerstag läuft "Napoleon" in den deutschen Kinos an.

Vom französischen Kaiser bis zur Verbannung

Napoleon Bonaparte ist zweifellos eine unvergleichliche Figur der Menschheitsgeschichte. 1769 auf Korsika geboren, entwickelte er sich während der Französischen Revolution zum versierten militärischen Strategen, der schnell zum Kaiser der Franzosen aufstieg. Er führte Feldzüge in Italien und Ägypten und herrschte zeitweise über große Teile des europäischen Kontinents.

Erst der Feldzug gegen Russland 1812 läutete das Ende der Vorherrschaft Frankreichs in Europa ein. In der Schlacht bei Waterloo 1815 wurde Napoleon endgültig besiegt und lebte bis zu seinem Ende 1821 verbannt auf St. Helena, einer der entlegensten Inseln der Erde vor der afrikanischen Westküste.

Joaquin Phoenix und Ridley Scott bei der Premiere des Kinofilms Napoleon in Madrid vor einem großen Kinoplakat

Joaquin Phoenix und Regisseur Scott bei der Premiere in Madrid

Regisseur Ridley Scott inszeniert das Leben dieses Mannes in monumentalen Bildern. Nicht nur sein rücksichtsloser Aufstieg zum Kaiser steht im Fokus, vor allem auch die leidenschaftliche Beziehung zu seiner Frau, der Kaiserin Joséphine. Während Napoleon Machtvisionen und große Kriegspläne entwickelt, wird er immer wieder mit Joséphines Untreue konfrontiert.

"Vollkommen eindimensional"

Einer, der den Film bereits gesehen hat, ist der Historiker Thomas Schuler. Er hat mehrere Bücher über Napoleon geschrieben - und blickt skeptisch auf den neuen Streifen. Er habe den "echten" Napoleon in dem Film nicht wiedererkannt, sagte Schuler im WDR. Die Figur sei "vollkommen eindimensional angelegt", der ganze Film voller sachlicher Fehler.

Schuler nennt ein paar Beispiele: Bei der Hinrichtung Marie Antoinettes sind im Hintergrund französische Flaggen zu sehen. Doch sie hängen falsch herum, meint Schuler. Am Set der Hollywood-Produktion ist das offenbar niemandem aufgefallen. In einer Szene raucht ein russischer Soldat eine Art Zigarette - die allerdings erst 50 Jahre später erfunden worden sei.

Darstellung Napoleons in einer Schlacht durch Maler Tancredi Scarpelli

So soll er ausgesehen haben - Darstellung von Tancredi Scarpelli

Bei der Schlacht von Waterloo sehe man Schützengräben und Palisaden - "die gab es dort nicht", sagt der Historiker. Auch als Napoleon im Film selber mit einem Säbel in der Hand den Feinden entgegenreitet und die englischen Infanteristen niedersäbelt - das habe es "so nie gegeben". Explodierende Artilleriegranaten hätten im Film die Wucht heutiger Artilleriegranaten, als sie in die Pyramiden einschlagen und deren Spitzen "fast pulverisieren". Eine Kanonenkugel im Jahr 1798 sei dazu aber gar nicht in der Lage gewesen.

"Napoleon war geistreich und belesen"

Auch die Figur Napoleons selber im Film habe wenig mit dem gemein, was tatsächlich über den Mann bekannt ist. Er sei humorvoll, geistreich und "einer der belesensten Politiker gewesen, die je gelebt haben". Napoleon sei "todesmutig" und ausdauernd gewesen, aber auch brutal.

"Napoleon" von Ridley Scott: "Vollkommen eindimensional"

WDR 5 Morgenecho - Interview 23.11.2023 06:45 Min. Verfügbar bis 22.11.2024 WDR 5


Download

"Keine peinliche Karnickel-Nacht"

Besonders irritiert war Historiker Schuler angesichts der Szenen aus der Hochzeitsnacht mit Joséphine. Regisseur Ridley stelle Napoleon "wie ein grobschlächtiges Karnickel" dar. Natürlich gebe es keine Augenzeugen aus dieser Nacht, räumt Schuler ein, sehr wohl aber die Liebesbriefe Napoleons an seine geliebte Frau: "Das sind die sprachlich feinsinnigsten, wundervollsten, zärtlichsten, leidenschaftlichsten Briefe, die jemals von einem Mann an eine Frau geschrieben wurden", stellt er klar. Daraus können man "sehr wohl ableiten, dass die Nacht nicht diese peinliche Karnickel-Nummer war, als die sie im Film dargestellt wird".

Aber Schuler sagt auch: "An Napoleon scheiden sich bis heute gewaltig die Geister." Über keine andere Person seien je mehr Bücher geschrieben worden als über ihn. Schon Zeitgenosse Goethe habe über den französischen Kaiser gesagt: "Jeder spürt, dass in dem Mann noch ein Geheimnis ist." Welches Geheimnis, so Schuler, das sei bis auf den heutigen Tag nicht beantwortet.

Quellen

  • WDR 5 Morgenecho-Interview

Weitere Themen