Tod von Mouhamed Dramé: Prozess gegen Polizist:innen startet
Aktuelle Stunde. 19.12.2023. 45:00 Min.. UT. Verfügbar bis 19.12.2025. WDR. Von Tobias al Shomer.
Prozess nach Tod des 16-jährigen Dramé: Wann darf die Polizei schießen?
Stand: 19.12.2023, 15:32 Uhr
In Dortmund wurde 2022 der 16-jährige Mouhamed Dramé von der Polizei erschossen. Nun stehen fünf Beamte vor Gericht. Dabei geht es auch um die Frage: Wann darf die Polizei schießen?
Im August 2022 eskalierte in Dortmund ein Polizeieinsatz: Der 16-jährige Mouhamed Dramé wurde durch Schüsse aus einer Maschinenpistole getötet. Am Dienstag beginnt deshalb vor dem Dortmunder Landgericht der Prozess gegen fünf Polizistinnen und Polizisten.
Damit rückt erneut die grundsätzliche Frage in den Fokus, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz von Schusswaffen verhältnismäßig ist.
Ab wann darf die Polizei schießen?
Polizeirecht ist in der Bundesrepublik Ländersache. Im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen heißt es, Schusswaffen dürften gegen Personen nur gebraucht werden, um
- eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren,
- die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung eines Verbrechens oder eines Vergehens unter Anwendung oder Mitführung von Schusswaffen oder Explosivmitteln zu verhindern,
- eine flüchtende Person aufzuhalten, wenn sie eines Verbrechens dringend verdächtig ist und/oder sie möglicherweise Schusswaffen oder Explosivmittel mit sich führt.
Außerdem dürfen Schusswaffen laut NRW-Polizeigesetz eingesetzt werden, um eine Flucht oder eine "Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam" zu verhindern - unter bestimmten Voraussetzungen.
Welche anderen Mittel hat die Polizei?
Die Polizei darf nur dann zur Schusswaffe greifen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht funktioniert haben, um eine Person aufzuhalten. Polizistinnen und Polizisten müssen zunächst versuchen, eine bedrohliche Lage auf andere Weise unter Kontrolle zu bringen.
Wenn die Situation nicht durch Worte entspannt werden kann, ist zum Beispiel der Einsatz von Reizgas, Pfefferspray, Schlagstöcken oder Tasern möglich. Zu diesen Mitteln gehören auch Warnschüsse.
Wie ist das Handeln der Polizei im Fall Dramé zu beurteilen?
Polizeiwissenschaftler Rafael Behr
Das soll im Rahmen des Prozesses vor dem Dortmunder Landgericht geklärt werden. Vor dem Prozessauftakt am Dienstag lobte Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften, im WDR die transparente Informationspolitik der Staatsanwaltschaft. "Das ist nicht unbedingt üblich und das hat dazu geführt, dass die Erzählung der Polizei frühzeitig konterkariert wurde." Das habe überhaupt dazu geführt, dass es zu einer Anklage gekommen sei.
Behr, der am Fachhochschulbereich der Akademie der Polizei Hamburg lehrt, sprach von einem "handwerklichen Fehler" der Polizei bei der Einschätzung der Einsatzlage im Fall von Mouhamed Dramé.
Welche Konsequenzen zog die Polizei aus Fall Dramé?
NRW-Innenminister Herbert Reul
"Das hat schon zu Veränderungen geführt", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag dem WDR. "Wir haben gemerkt, dass der Umgang mit psychisch Kranken, den Menschen aus anderen Kulturen und mit anderen Sprachen Fragen aufwirft, die wir noch nicht zufriedenstellend beantwortet hatten."
Die wichtigste Rolle spiele dabei die Ausbildung, so Minister Reul. "Das ist sowohl eine Theorie- als auch eine Übungsfrage." Deshalb seien die bisher sieben Tage Training für solche Einsätze um zwei zusätzliche Tage erweitert worden.
Das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP NRW) teilte dem WDR mit, die polizeiliche Reaktion auf gefährliche Angriffe werde "in ganzheitlichen Situationstrainings und Rollenspielen praxisnah intensiv trainiert". Dafür sei in den letzten Jahren "vermehrt ein stressbasiertes und realitätsnahes Einsatztraining konzipiert" worden.
Unsere Quellen:
- WDR-Interviews
- NRW-Polizeigesetz
- Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW