Klimaaktivisten mit Präventionshaft ausbremsen?

Stand: 16.11.2022, 22:02 Uhr

Sie blockieren Straßen, attackieren Kunstwerke: Immer wieder sorgen Klimaaktivisten für Furore. In Bayern droht ihnen Präventionshaft - ein Vorgehen, das Juristen in Frage stellen.

Es gilt die Erderwärmung endlich zu stoppen und damit unsere Lebensgrundlagen zu retten, soweit so klar. Die derzeitigen Aktionen von Klimaaktivisten irritieren aber dabei offenbar viele.

Wegen der Proteste kommen Menschen zu spät zur Arbeit oder zu einem Termin, weil sich Aktivisten auf die Straße festgeklebt haben. Kunstliebhabern stockt der Atem, wenn weltberühmte Kunstwerke - die oft mit Glas geschützt sind - mit Cremetorte, Schokoladenkuchen oder Kartoffelbrei attackiert werden.

Bayerisches Gericht schickte Klimaaktivisten in Präventionshaft

Die Proteste der Klimaaktivisten sind spürbar, sie erregen zumindest Aufmerksamkeit für ihre Anliegen. Bayerns Justiz greift dabei hart durch. In Bayern müssen die Aktivisten - anders als in NRW und in anderen Teilen Deutschlands - mit Präventionshaft rechnen. Ein Gericht hat für drei Aktivisten Anfang November eine Woche Gewahrsam verhängt. 14 weitere bleiben bis zum 2. Dezember in Haft - und zwar vorsorglich.

Die Präventionshaft kann in Bayern ein Gericht anordnen, um eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Zum Beispiel Straßenblockaden. Die Dauer der Haft kann bis zu einem Monat betragen und danach um einen weiteren verlängert werden. Unumstritten ist das aber nicht.

Zweifel an der Verhältnismäßigkeit

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach vor wenigen Tagen im Bayerischen Rundfunk von einem "vollkommen unverhältnismäßigen" Schritt, "auch wenn ich viele Aktionen der Klimaaktivisten nicht teile". Es gehe nicht an, Menschen durch Präventionshaft erziehen zu wollen, das sei der falsche Ansatz.

Marco Noli Fachanwalt für Strafrecht

Auch der Münchner Strafrechtler Marco Noli äußerte gegenüber dem WDR am Mittwoch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Präventionshaft bei Klimaaktivisten. Es sei ja bei den Blockaden keine Gewalt seitens der Protestierenden angewandt worden. Insofern wäre es ausreichend gewesen, das Vorgehen, unter dem die Allgemeinheit zu leiden gehabt habe, mit einer Geldstrafe zu ahnden.

Klimaaktivisten kämpfen weiter für ihr Anliegen

Doch ausbremsen lassen sich die Klimaaktivisten ohnehin nicht, auch nicht von einer Präventionshaft. Online reagieren sie mit diesem Aufruf: "Lasst uns diesen Moment weiter ausbauen und schon mit der nächsten Welle an Menschen weitere Zelle füllen. Wir werden mit mehr und mehr Menschen nach Bayern gehen und vom Staat weggesperrt werden."

Klimaaktivistin Carla Rochel

Weggesperrt wegen einer Blockade - das hat auch die Klimaaktivistin Carla Rochel erleben müssen. Drei Tage saß sie deswegen im Februar in Haft. Eine solche Phase könnte ihr erneut bevorstehen. Aber sie macht weiter und holt - verbal - zum Gegenschlag aus: "Wir nutzen das Mittel des friedlichen Widerstands, weil wir gerade in einen Klimakollaps rasen", sagte Rochel dem WDR. Die Bundesregierung tue "nichts, um uns davor zu schützen. DAS ist kriminell", betonte sie.

Wird der Klimanotstand zur Nebensache?

Auf der Klimakonferenz in Ägypten versuchen Politiker und Verhandler den Klimanotstand zu beenden. Klimaaktivisten haben sich dies zur Herzenssache gemacht. Was Rochel bedauert: Hierzulande drohe eine Spirale aus radikalen Protesten und harten Sanktionen. Das eigentliche Thema, nämlich die Klimakrise und Lösungen hierfür, werde zur Nebensache.

Derweil hat am Mittwoch die Kölner Kunstmesse Art Cologne begonnen. Die Veranstalter sind in Sorge. Anders als in Museen seien die Werke nicht hinter Glas, sagte Messe-Direktor Daniel Hug. Sollten sie beschädigt werden, könne das teuer werden, zumal sie überwiegend in Privatbesitz seien.

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