Windrad in Gescher eingestürzt

Nach Windrad-Crash: Das wird für die Sicherheit getan

Stand: 07.07.2023, 11:29 Uhr

Der Einsturz eines Windrades im münsterländischen Gescher hat für Aufregung gesorgt. Wird genug dafür getan, damit sowas ein Einzelfall bleibt?

Von Christian WolfChristian Wolf

Bis 2027 will die schwarz-grüne Landesregierung tausend zusätzliche Windräder in NRW aufstellen lassen. Auch die Ampel-Regierung in Berlin hat ehrgeizige Ziele. Bis 2030 soll es doppelt so viel Windkraft geben. Die Zahl der Anlagen wird in den kommenden Jahren also deutlich zunehmen.

Umso wichtiger ist da die Akzeptanz in der Bevölkerung - vor allem vor Ort. Und da dürften die Bilder, die diese Woche aus dem Münsterland kamen, nicht hilfreich gewesen sein. Denn bei Gescher im Kreis Borken ist in der Nacht auf Dienstag ein etwa 90 Meter hohes Windrad umgeknickt und mit dem Rotor in ein Maisfeld gestürzt. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.

Doch der Vorfall rückt ein Thema in den Fokus, das sich nach solchen Ereignissen automatisch ergibt: Wie sicher sind die riesigen Windkraftanlagen eigentlich und wird genug dafür getan, damit sowas wie in Gescher ein Einzelfall bleibt?

Schäden laut Verband "extrem selten"

Beim Bundesverband Windenergie (BWE) bemüht man sich, solche Vorfälle einzuordnen. "Generell ist festzuhalten, dass Windenergieanlagen ausgesprochen sicher sind", sagt ein Sprecher auf WDR-Anfrage. Derzeit gebe es in ganz Deutschland mehr als 28.000 Anlagen. Doch laut einer internen Schadensstatistik habe es seit 2005 nur 129 "Schadensereignisse" gegeben - also "extrem selten". Die Quote liege im Promillebereich. Einstürze wie den in Gescher habe es zuvor sieben Mal gegeben. Darüber hinaus komme es auch mal zu Bränden oder Rotorblätter brächen ab.

Allerdings handelt es sich bei den Zahlen des Verbandes nicht um eine offizielle Statistik. Die gibt es auch gar nicht. Anders als zum Beispiel bei Verkehrsunfällen führt niemand einen amtlichen Überblick. Der Verband sagt, er sei auf Meldungen von Schäden angewiesen. Man erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

So kommt es, dass der TÜV-Verband - die Interessenvertretung der Technischen Überwachungs-Vereine - mit ganz anderen Zahlen arbeitet. Dort ist von rund 50 "gravierenden Schäden" an Windenergieanlagen die Rede - pro Jahr. Die Diskrepanz ist also groß. Der TÜV würde eine offizielle Statistik für sinnvoll halten. Der BWE entgegnet:

"Ob eine offizielle Statistik hier Verbesserungen erreichen kann oder nur weitere Bürokratie bedeutet, können wir nicht einschätzen. Angesichts der geringen Fallzahlen wäre sie aber vermutlich nicht mit einem zusätzlichen Mehrwert verbunden." Bundesverband Windenergie

Sachverständige überprüfen Anlagen

Und wie sieht es mit den Kontrollen der Anlagen aus, damit es erst gar nicht zu einem Schaden kommt? Laut dem NRW-Bauministerium wird das in einer "Technischen Baubestimmung" der Landesbauordnungen geregelt. So gibt es "wiederkehrende Prüfungen" von Sachverständigen, bei denen zum Beispiel geschaut wird, ob die Standsicherheit wegen Rissen gefährdet ist. Geprüft werden soll höchstens alle zwei Jahre.

Es gibt aber eine Möglichkeit, das Intervall auf vier Jahre auszudehnen. Nämlich dann, wenn die Herstellerfirma jährlich die Anlage überwachen und warten lässt.

TÜV für engmaschigere Kontrollen

Genau diese Regelung kritisiert der TÜV-Verband. So sagte Geschäftsführer Joachim Bühler dem WDR: "In der Praxis führt das dazu, dass die Sicherheit der Windräder nur alle vier Jahre von unabhängigen Sachverständigen überprüft wird." Auch angesichts des geplanten Zuwachses in den kommenden Jahren sei es wichtig, dass die Anwohner Vertrauen in die Technik haben. Eine regelmäßige Prüfung könne da die Akzeptanz stärken.

Joachim Bühler, Geschäftsführer vom TÜV-Verband

Joachim Bühler, Geschäftsführer vom TÜV-Verband

Deshalb sagt der TÜV-Chef: "Wir setzen uns dafür ein, dass die Sicherheit aller Anlagen alle zwei Jahren verpflichtend überprüft wird." Diese Pflicht müsse dann auch für Anlagen gelten, die vor 2004 gebaut wurden. Für die gebe es bislang nämlich keine einheitliche Prüfpflicht. Stattdessen habe jedes Bundesland unterschiedliche Regelungen.

Trotzdem sagt auch der TÜV-Geschäftsführer, dass "kein Grund zur Sorge" bestehe, dass Menschen gefährdet werden. Grundsätzlich handele es sich um "sehr sichere Anlagen". Es gehe lediglich darum, das bereits hohe Sicherheitsniveau weiter zu erhöhen. Die AfD-Fraktion in NRW hat dieser Tage gefordert, dass konkret der TÜV sich um die Überprüfungen kümmern soll.

Sicherheit im Interesse der Betreiber

Aus dem NRW-Bauministerium heißt es, dass man "kein Erfordernis einer bundesrechtlichen Regelung" sehe. Und auch beim Bundesverband Windenergie sieht man keinen Handlungsbedarf. "Der BWE sieht angesichts der ausgesprochen geringen Schadensquote an Windenergieanlagen keinen Anlass dazu, von den etablierten Prüfverfahren abzuweichen", sagt ein Sprecher. Die Kontrollintervalle seien "vollkommen ausreichend" und die Arbeit durch unabhängige Sachverständige habe sich bewährt. Forderungen, dass der TÜV die Überprüfungen übernehmen soll, seien seitens des Verbandes in "eigenen wirtschaftlichen Interessen" begründet, heißt es.

Auf ganz andere Interessen verweist Jan Liersch hin. Der Diplom-Ingenieur ist seit fast 30 Jahren in der Windenergiebranche tätig und gibt zu bedenken: "Die Motivation, dass die Anlagen laufen, ist bei allen gegeben - vor allem der Betreiber und Eigentümer hat am wenigsten Interesse daran, dass die Anlagen umfallen." Deshalb werde er auch alles dafür tun, dass die Anlage weiterhin funktioniere und eine Umsatzquelle sei. "Auch den Imageschaden, wenn mal etwas passiert, möchte niemand haben."

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