Luftaufnahme einer Photovoltaikanlage auf einem Eigenheim

Schwarz-Grün will Solarpflicht in NRW: Was bedeutet das konkret?

Stand: 24.06.2022, 17:56 Uhr

Die neue Landesregierung von CDU und Grünen will eine umfassende Solarpflicht in NRW einführen. Doch nicht jedes Haus wird davon betroffen sein.

Von Anna Kirberich und Christian Wolf

Als am Donnerstag der Koalitionsvertrag für die künftige NRW-Regierung von CDU und Grünen präsentiert wurde, dürfte so manch ein Hausbesitzer hellhörig geworden sein. Denn bei Schwarz-Grün ist von einer Solarpflicht die Rede. Muss jetzt also bald auf jedem Dach in NRW eine Photovoltaikanlage errichtet werden?

So weitreichend sind die Pläne der neuen Koalition nicht. Doch für den ein oder anderen lohnt es sich dennoch, genauer hinzuschauen, was sich die beiden Parteien vorgenommen haben. Ganz wichtig ist das Wort "schrittweise" im Koalitionsvertrag. Die Solarpflicht kommt also nicht auf einen Schlag, sondern in mehreren Etappen:

  • Los geht es ab Januar 2023 für alle neuen öffentlichen Liegenschaften.
  • Ab Januar 2024 gilt die Solarpflicht dann für alle gewerblichen Neubauten. Wird also ein neuer Supermarkt gebaut, muss auf das Dach eine Photovoltaikanlage.
  • Wenn ab Juli 2024 das Dach einer kommunalen Liegenschaft saniert wird, muss auch eine Solaranlage verbaut werden.
  • Für all diejenigen, die sich ein neues Haus bauen, wird der Januar 2025 entscheidend. Dann gilt die Solarpflicht auch für private Neubauten.
  • Die letzte Etappe ist der Januar 2026. Ab dann greift die Solarpflicht auch, wenn das Dach eines privaten oder gewerblichen Gebäudes umfassend saniert wird.

Das bedeutet also: Nur wer ein neues Haus baut oder sein Dach erneuert, muss in ein paar Jahren an die Solarpflicht denken. Steht das Gebäude schon und es muss auch nicht saniert werden, kann natürlich freiwillig auf Solar gesetzt werden - aber es muss nicht.

Ausnahmen von Solarpflicht möglich

Aber selbst diejenigen, die demnächst betroffen sind, müssen auf das Kleingedruckte achten. Denn wie immer im Leben wird es auch bei der Solarpflicht Ausnahmen geben. "Mit einer Verordnung wird sichergestellt, dass die Pflicht nur dort greift, wo es sinnvoll und zumutbar ist", heißt es im Koalitionsvertrag. Steht also ein riesiger Baum vor dem Haus und es kommt nur wenige Sonne auf das Dach, greift die Solarpflicht voraussichtlich nicht. Entscheidend wird sein, wie die entsprechenden Gesetze und Verordnungen formuliert und verabschiedet werden.

Außerdem soll daran gedacht werden, Privatleute nicht zu überfordern. Deshalb soll es laut Vertrag reichen, wenn nur Teile des Daches eine Solaranlage bekommen. Auch will Schwarz-Grün ermöglichen, dass Hausbesitzer ihre Dachfläche an Investoren verpachten, die sich dann um alles kümmern - inklusive der Finanzierung.

Apropos Geld: Bezahlt werden muss die Solaranlage von jedem selbst. Im Koalitionsvertrag steht nicht, dass das Land die Solarpflicht finanziert. Allerdings gibt es derzeit schon Förderprogramme, die bei der Umrüstung helfen.

Betriebe können sich auf Solarpflicht einstellen

Doch wird die Solarpflicht in der Praxis auch umsetzbar sein? Schließlich gibt es schon jetzt Probleme bei Material und Personal. Jan Dobertin glaubt nicht, dass es zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung kommen wird. Er arbeitet für ein Unternehmen aus dem Münsterland, das Photovoltaikanlagen verkauft und baut. Der Stichtag 2025 für private Neubauten lasse den Betrieben Zeit, sich auf die Situation einzustellen, sagte er dem WDR. Die Branche müsse so oder so weiter wachsen.

Angesichts der steigenden Energiepreise herrsche zur Zeit schon eine hohe Nachfrage. Zum Teil gebe es Betriebe, die ihre Auftragsbücher für 2022 schon geschlossen hätten und einen Vorlauf von neun bis zwölf Monaten einplanten. "Wer ab kommenden April eine Anlage betreiben will, sollte jetzt schon einmal auf einen Betrieb zugehen", rät Dobertin. Sein Unternehmen schaffe es zur Zeit, eine Anlage in fünf bis sechs Monaten zu bauen. Wie es zukünftig aussieht, sei wegen der gestörten Lieferketten schwer einzuschätzen.

Auch die Preise sind zuletzt nach oben gegangen. "Wir hatten jetzt im ersten halben Jahr Preissteigerungen von 15 bis 20 Prozent. Das sind schon Preissprünge. Aber auf der anderen Seite steigen auch die Strompreise massiv", sagt Dobertin. Auch wenn eine üblich dimensionierte Photovoltaikanlage für ein normales Einfamilienhaus etwa 15.000 bis 20.000 Euro kosten könne, rechne sich das auf Dauer. "Die Anlage läuft 30 Jahre und mehr. Da sind die Auswirkungen der erhöhten Investitionskosten auf die Wirtschaftlichkeit marginal."

Verbraucherschützer lobt Zeitpuffer

Udo Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW, war bisher kein großer Freund einer Solarpflicht - auch weil er glaubt, dass sie nicht gebraucht wird. Nach seiner Einschätzung werden sich in den kommenden Jahren eh viele Hausbesitzer und Bauherren wegen der steigenden Energiepreise für eine Photovoltaikanlage entscheiden. Zur Zeit sei die Nachfrage schon so riesig. Die Solarpflicht für Neubauten könnte sich seiner Meinung nach deshalb bis 2025 erledigt haben, weil die Vorgaben zum großen Teil schon freiwillig erfüllt würden.

Der Verbraucherschützer findet es gut, dass CDU und Grüne einen Zeitpuffer bis 2025 einplanen, weil so laufende Bauvorhaben nicht betroffen sind. Auch die Möglichkeit, über Pachtmodelle und Solarthermie die Pflicht zu erfüllen, sei gut. "Es gibt ja immer noch Menschen, die aus ästhetischen Bedenken keine Anlage auf ihrem Haus wollen oder weil sie glauben, sie hätten es finanziell nicht nötig. Wir können uns solche Einstellungen nicht mehr erlauben. Wir kämpfen um jede Kilowattstunde."

Über dieses Thema berichtete der WDR am Freitag bei WDR5 im Landesmagazin Westblick.

Weitere Themen