Ein Kind nimmt die Finger zu Hilfe, um besser rechnen zu können

Schulen: Chaos beim Corona-Aufholprogramm

Stand: 03.02.2023, 16:30 Uhr

Im Herbst hatte die NRW-Schulministerin verkündet, das Programm "Ankommen und Aufholen nach Corona" zu verlängern. Doch die Schulen mussten übriggebliebene Gelder Ende 2022 zurückgeben. Neue Mittel gab es bis Ende Januar nicht.

Von Martina KochMartina Koch

Ute Bienengräber-Killmann ist ziemlich enttäuscht. Die Schulleiterin des Kopernikus-Gymnasiums in Beckum war davon ausgegangen, dass das Aufholprogramm nach Corona einfach verlängert werde. Doch dann musste sie im Dezember nicht genutzte Bildungsgutscheine und Gelder an die Stadt zurückgeben. Aber neue Mittel für 2023 bekam sie erstmal nicht.

Fünf Lehramtsstudierende betreuen an diesem Gymnasium Förderkurse, um Lerndefizite auszugleichen und den Folgen der Schulschließungen entgegenzuwirken. Diese Kurse wollte die Schulleiterin unbedingt halten.

Förderung seit Jahresbeginn mancherorts ganz ausgesetzt

Ute Bienengräber-Killmann, Schulleiterin Kopernikus Gymnasium Beckum

Ute Bienengräber-Killmann, Schulleiterin

Dafür hat sie dann einfach Gelder aus dem Ganztagsprogramm genommen, um die Förderkurse weiter laufen zu lassen. Auf eigenes Risiko. Doch so kreativ oder mutig sind nicht alle Schulleitungen – die Fördermaßnahmen wurden mancherorts ausgesetzt. Hinzu kommt, einige Schulen haben das Programm an private Anbieter übergeben. Und die konnten ohne die staatlichen Gelder keine Kurse anbieten, wie der WDR von einer Firma erfuhr, die nicht genannt werden möchte. Aus Sorge, weil man mit den Verwaltungen weiter zusammenarbeiten wolle, hieß es.

Nach Schulschließungen kam das Hilfsprogramm

Im August 2021 hatte die Landesregierung das Programm "Ankommen und Aufholen nach Corona" gestartet. Insgesamt standen dafür 430 Millionen Euro zur Verfügung, finanziert jeweils zur Hälfte von Bund und Land.

Erstmals bekamen die Schulen zum Beispiel "Extra-Geld", also ein Schulbudget, über das sie frei verfügen und Förderangebote organisieren konnten. Außerdem durfte befristet zusätzliches Personal eingestellt werden. Und es gab Bildungsgutscheine für externe Bildungsangebote.

Bund ist aus dem Förderprogramm ausgestiegen

Die Schulen haben das gern angenommen, auch wenn es mit großem Aufwand verbunden ist, so Schulleiterin Bienengräber-Killmann. Die Schulministerin hatte deshalb im September angekündigt, dass das Programm verlängert werde.

Doch der Bund war nicht bereit, weiter mitzufinanzieren. Deshalb wurde formal, das erste Programm am 31. Dezember 2022 beendet und ein neues vom Land gestartet. Dafür gibt es noch einmal rund 100 Millionen Euro. Gelder, die bis Ende Januar noch nicht an den Schulen angekommen sind.

Schulministerin mit Erklärungsversuchen

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) gibt vor allem dem Bund die Schuld für die Verzögerungen. Man habe auf den Beschluss des Landtages warten müssen. "Ich kann ja nicht vorher Gelder geben, bevor ich nicht das Haushaltsgesetz habe.", so Feller. Und das sei erst Ende Dezember beschlossen worden.

Dorothee Feller (CDU), Schulministerin NRW

Dorothee Feller (CDU), Schulministerin NRW

Jochen Ott, Schulpolitiker der SPD-Landtagsfraktion, hält das alles für bürokratischen Unsinn: "Wie kann es sein, dass ein Förderprogramm, das eigentlich fortgesetzt werden soll, erst einmal unterbrochen wird, Gelder zurückverlangt werden, um sie anschließend wieder auszuzahlen?", fragt er. In der nächsten Sitzung des Schulausschuss müsse die Ministern das erklären.

Adäquate Unterstützung beim Lernen fehlt

Beim aktuellen Deutschen Schulbarometer vom Januar geben Schulleitungen an, dass rund ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler Defizite hat. Und mehr als zwei Drittel der Schulleitungen müssen einräumen, dass es nicht gelingt, alle Kinder zu erreichen.

Deshalb schätzen Lehrkräfte und Schülerschaft das Aufholprogramm. Aber die Mitteilung jetzt, dass die Gelder rückwirkend abgerechnet werden dürfen, kommt für viele zu spät.

Schulen brauchen dauerhafte Finanzierung der Förderangebote

Andrea Heil vom Verband Bildung und Erziehung NRW hatte sich vor allem über das Extra-Geld für das Schulbudget gefreut. Die Grundschulleiterin aus Dortmund befürchtet allerdings, dass es jetzt in der Kürze der Zeit schwer werde, die Gelder überhaupt auszugeben. Sie fordert eine Verlängerung des Programms bis zum Jahresende.

Und eigentlich wäre es als dauerhafter Mehrbetrag für die Schulen noch sinnvoller, so die Vertreterin des Lehrerverbandes. Dann würde das Zurückgeben und Wiederbeantragen von Mitteln entfallen.

Darüber berichten wir auch in der Sendung Westpol am 05.02.2023, ab 19:30 Uhr im WDR-Fernsehen und im Radio im Westblick.