Campus der Universität Duisburg-Essen

Schluss mit langsam: Landesregierung will an Hochschulen schneller bauen

Stand: 16.04.2024, 16:33 Uhr

Der Bau von Hochschulen dauere bis zu 16 Jahre und koste viel Geld, hat die Landesregierung festgestellt. Das will sie ändern und testet ein neues Verfahren an drei Unis.

Von Jochen Trum

Die Zeit gibt der Wissenschaft schon immer Rätsel auf. Für Newton war sie noch unendlich und vom Raum getrennt, seit Einstein ist sie zur Raumzeit verschmolzen. Ob in der Physik oder der Philosophie, Zeit ist ein Phänomen, das sich zwar präzise messen lässt, aber doch letzte Geheimnisse birgt.

Die Landesregierung will nun einem besonders vertrackten Zeit-Mysterium in der Hochschullandschaft Nordrhein-Westfalens auf die Schliche gekommen sein. Warum dauert es in NRW eine halbe Ewigkeit, Gebäude für Forschung und Lehre zu bauen? Die Antwort lautet: Weil die Zuständigen im Land Jahre damit zubringen, Papier von einem Schreibtisch zum anderen zu schieben, ohne dass etwas Nennenswertes passiert.

Mehr Tempo beim Hochschulbau

WDR 5 Westblick - aktuell 16.04.2024 07:24 Min. Verfügbar bis 16.04.2025 WDR 5


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Hochschulbau dauert bis zu 16 Jahre

Unter dem klangvollen Begriff "Hochschulstandortentwicklungsplan" entwerfen die Universitäten und Fachhochschulen bislang schwungvolle Ideen, um sich dann über viele Jahre im Kleinklein zu verzetteln. Beteiligt daran sind auch der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB), das Ministerium der Finanzen und das für Wissenschaft. Vier bis fünf Jahre können auf diese Weise vergehen, ohne dass überhaupt irgendetwas passiert. Im Ergebnis dauert Hochschulbau in NRW bis zu 16 Jahre und kostet viel Geld. Soweit die Diagnose.

Porträtaufnahme von NRW-Kulturministerin Ina Brandes.

"Geld alleine reicht nicht": NRW-Wissenschaftsministerin Brandes

Ina Brandes, die CDU-Wissenschaftsministerin, und ihr Parteikollege Marcus Optendrenk, zuständig für Finanzen, wollen das nun ändern. Künftig sollen die Hochschulen schneller entscheiden können, gemeinsam mit dem BLB, was sie brauchen und wo sie bauen wollen. Am Dienstag stellten beide Ministerien und der BLB gemeinsam die "Neue Masterplanung Hochschulbau" vor.

Schneller und effektiver

Was bislang nacheinander geschah, soll demnach jetzt zeitgleich passieren. Planung, Genehmigung und Bau sollen dadurch deutlich beschleunigt werden. Die Unis bekommen mehr Freiheit, ob sie neue Gebäude in Eigenverantwortung, mit dem BLB oder einem Investor errichten wollen. Auch die Budgetverantwortung liegt bei ihnen. Ein Drittel der Planungszeit soll so eingespart werden.

Ein erheblicher Teil der Hochschulen in NRW sei in den 1960er und 1970er Jahren gebaut worden und ist inzwischen stark sanierungsbedürftig, sagte Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU). "Mit Geld allein werden wir den Investitionsstau nicht bewältigen." Es brauche ganz neue Verfahren.

Und Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) versprach: "Sobald wir eine konkrete, verbindliche Planung für eine Baumaßnahme inklusive Betrachtung der Wirtschaftlichkeit vorliegen haben, können wir auch schnell und einfach eine konkrete, verbindliche Zusage für die Finanzierbarkeit geben."

Reform an drei Hochschulen testen

Zunächst will die Landesregierung das neue, beschleunigte Verfahren testen. Dazu sind drei Hochschulen ausgewählt worden: die Universitäten Duisburg-Essen und Paderborn sowie die Fachhochschule Bielefeld. Nach einem halben Jahr soll klar sein, ob es klappt.

Die Politik verspricht sich davon einen echten Schub. Denn immerhin sind mehr als die Hälfte der Landesimmobilien Gebäude der Wissenschaft, es geht um etwa fünf Millionen Quadratmeter. Das Kalkül von Brandes und Optendrenk: Lässt sich hier schneller planen und bauen, lässt sich auch eine Menge Geld sparen.

Gewaltiger Sanierungsstau  

AudiMax der Ruhr-Universität Bochum

Unter Denkmalschutz: Ruhr-Universität Bochum

Der Sanierungsstau an den Unis ist gewaltig. Zu den vielen Gebäuden aus den 1960er und 70er Jahren kommen noch prunkvolle Einzelstücke, die weitaus älter sind - wie die Schlösser in Münster und Bonn. Oder Auflagen des Denkmalschutzes, wie im Fall der Ruhr-Uni Bochum. In Gebäuden der RWTH Aachen wurden erst kürzlich krebserregende Stoffe im Baumaterial festgestellt.

Oeconomicum, Uni Düsseldorf

Terrasse inzwischen gesperrt: Oeconomicum

Aber auch bei neueren Gebäude stocken Reparaturen. Am Düsseldorfer Oeconomicum beispielsweise wissen die Studierenden, wovon die Rede ist: In dem erst 2010 fertiggestellten, eigentlich eleganten Bau, der die Bibliothek des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften beherbergt, fielen kürzlich einige der Lampen von den Decken. Vorsichtshalber wurden daraufhin erst einmal alle abgeschraubt und durch Stehlampen ersetzt.

Die schöne Terrasse mit Seeblick ist seit Jahren schon gesperrt – aus bautechnischen Sicherheitsgründen. Dadurch kann wiederum der defekte Sonnenschutz an der Glasfassade des Gebäudes nicht repariert werden.

Zehn Milliarden Sanierungsstau

Zwei weitere Gebäude auf dem Düsseldorfer Unigelände sollen kernsaniert werden. Seit 2020 läuft dort die Planung, Fertigstellung soll in vier Jahren sein. Das Problem: Für eine Sanierung müssten Teile der psychologischen Fakultät zeitweise in ein anderes Gebäude ausweichen - das aber ebenfalls ein Sanierungsfall ist.

Das Hauptgebäude der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Altehrwürdig: Universität Bonn

Zehn Milliarden Euro Sanierungsstau rechnet Wissenschaftsministerin Brandes nach WDR-Informationen zusammen. Im Haushalt stehen aktuell nur 3,6 Milliarden zur Verfügung.

Mit der "Neue Masterplanung Hochschulbau" soll auch bedarfsgerechter gebaut werden - wenn nicht ein halbes Akademikerleben zwischen der ersten Idee und dem fertigen Gebäude liegen soll. Dann entspreche etwa das Laborgebäude auch den aktuellen Erfordernissen. Das sei der "letzte Baustein in der Hochschulfreiheit des Landes", so ist zu hören.

Über dieses Thema berichten wir auch am 16.04.24 im WDR "Westblick".