Ein Mähdrescher und ein Anhänger auf einem Getreidefeld bei der Ernte.

Erste Erntebilanz: Getreide sehr gut , Kartoffeln, Mais und Rüben in Gefahr

Stand: 23.08.2022, 15:25 Uhr

Die Getreideernte in NRW war deutlich besser als im Vorjahr, in Summe gibt es ein Plus von elf Prozent! Gute Nachrichten angesichts weiterer Herausforderungen durch Krieg und Klimakrise.

Von Sabine Tenta

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die explodierenden Energiepreise und der ausbleibende Regen - trotz all dieser Faktoren konnten die Landwirtinnen und Landwirte in NRW dieses Jahr eine sehr gute Ernte beim Getreide einfahren: Bislang sind 3,93 Millionen Tonnen in NRW geerntet worden, das sind elf Prozent mehr als 2021. Diese Teilbilanz präsentierte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) am Montag in Düsseldorf.

Trockenheit bot ideale Erntebedingungen

Nach Angaben von Karl Werring, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer NRW, hat es "überwiegend optimale Bedingungen" für den Anbau gegeben. Es habe im Frühjahr geregnet und die aktuelle Trockenheit habe "ideale Bedingungen für die Ernte" geboten. Das Getreide habe diesmal nicht unter hohem Energieaufwand getrocknet werden müssen.

Einzelerträge diverser Getreidesorten

Die gute Bilanz sieht bei den einzelnen Getreidesorten wie folgt aus, angegeben ist jeweils der Ertrag pro Hektar Fläche, der Zuwachs bezieht sich auf 2021:

  • Winterweizen: 8,7 Tonnen, ein Plus von 12,2 Prozent
  • Sommerweizen: 6 Tonnen, ein Plus von 22 Prozent
  • Wintergerste: 7,9 Tonnen, ein Plus von 9 Prozent
  • Sommergerste: 5,9 Tonnen, ein Plus von 20 Prozent
  • Roggen: 7 Tonnen, ein Plus von 2 Prozent
  • Triticale (Futterpflanze): 6,8 Tonnen, ein Plus von 10,4 Prozent
  • Hafer: 5,7 Tonnen, ein Plus von 24 Prozent

Doch bei der guten Bilanz der Weizenernte gibt es eine Einschränkung: Der Proteingehalt sei teilweise nicht ausreichend. Das könnten aber die Getreidemühlen kompensieren, indem sie Importweizen untermischen, der einen höheren Proteingehalt habe, erklärte Silke Gorißen.

Trübe Aussichten fürs restliche Erntejahr

Mit Sorge blicken die NRW-Landwirtschaftsministerin und der Landwirtschaftskammer-Präsident auf das weitere Jahr. Kulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben würden unter der aktuellen Dürre leiden, zum Teil hätten die Landwirte den Mais schon notgeerntet. Das Grünland leide und das Pflanzenwachstum stagniere mitunter. Wenn die Dürre anhalte, dann könne es auch mit der Aussaat für das Folgejahr problematisch werden.

Landwirtschaftsministerin (NRW) Gorißen und Präsident der Landwirtschaftskammer bei einer Pressekonferenz

Silke Gorißen und Karl Werring

Zu den weiteren "Herausforderungen" für die Landwirtschaft gehört laut Gorißen, dass die Düngemittelpreise um das Vierfache gestiegen seien und die Energiepreise sich verdoppelt hätten. Gorißen erinnerte daran, dass Gas ein wichtiger Grundstoff für die Stickstoffdüngerproduktion ist. Darum sei es wichtig, über eine Priorisierung der Gasverwendung für den Landwirtschafts- und Ernährungssektor zu sprechen.

Werring betonte, die Landwirte würden aktuell schon Dünger und Kraftstoffe so sparsam einsetzen, "noch mehr sparen können wir nicht".

Wege aus der Klimakrise

Angesichts der Klimakrise will die NRW-Landwirtschaftsministerin den regionalen Anbau und die regionale Vermarktung stärken. Zudem müsse die Digitalisierung in der Landwirtschaft ausgebaut werden. Künstliche Intelligenz helfe, Dünger und Pestizide gezielter auszubringen. Weitere Möglichkeiten zur Klimaanpassung "sind in der Erprobung", so Gorißen.

Karl Werring von der Landwirtschaftskammer erklärte, wenn man "die Genschere ansetzt", könne man am schnellsten resilientere Sorten züchten. Die Landwirte seien zum Einsatz von genmanipuliertem Saatgut bereit, lediglich die nicht vermehrungsfähigen Hybridsorten sieht Werring kritisch. Sie führten in die wirtschaftliche Abhängigkeit der Landwirte von den Anbietern.

Getreideernte in Deutschland eher mau

Bundesweit sei die Getreideernte eher unterdurchschnittlich gewese, bilanziert der Deutsche Bauernverband. Sie beläuft sich laut des DBV auf etwa 43 Millionen Tonnen. Damit können die Landwirte zwar fast zwei Prozent mehr einfahren als 2021, aber rund sechs Prozent weniger als im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2021 mit 45,6 Millionen Tonnen.

"Die in vielen Regionen des Landes lang anhaltende Trockenheit zeigt erneut, dass die Landwirte die Auswirkungen des Klimawandels sehr direkt zu spüren bekommen", sagte Bauernverband-Präsident Joachim Rukwied. Er stellte Verbraucherinnen und Verbrauchern stabile bis steigende Preise in Aussicht.

Energiekosten hätten sich verdoppelt, Düngemittelpreise vervierfacht und Futtermittelkosten seien sehr stark gestiegen. "Wir Bauern brauchen stabile und in der Tendenz steigende Erlöse bei unseren Produkten, um überhaupt noch weiter wirtschaften zu können", betonte der oberste Lobbyist der deutschen Landwirte. Er wetterte zudem gegen Pläne der EU.

Bauern-Präsident kritisiert EU

"Schaut man sich die Erträge in den letzten Jahren an, wird deutlich, dass es keinen Spielraum für weitere flächendeckende Einschränkungen bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln geben darf", erläuterte Rukwied. "Die von der EU-Kommission geplanten pauschalen Anwendungsverbote von Pflanzenschutzmitteln sind unverantwortlich und würden die Lebensmittelversorgung in Europa gefährden."

Sollten die EU-Vorschläge eins zu eins umgesetzt werden, könnten die Bauern in Deutschland und Europa die heimische Bevölkerung nicht mehr mit Lebensmitteln versorgen, warnte Rukwied. Viel landwirtschaftliche Nutzfläche fiele weg und "die Produktion würde direkt in die Ernährungskrise reinsteuern".