Konjunkturbericht: "Wirtschaftliche Talsohle in Sichtweite"

Stand: 30.10.2023, 17:01 Uhr

Die Wirtschaft in NRW kämpft noch immer mit den hohen Energiepreisen - das zeigt der neue Konjunkturbericht für NRW. Zumindest kaufen die Menschen wieder mehr ein - und Ende des Jahres könnte es leicht bergauf gehen.

Von Nina Magoley

Es gebe "leider keine neuen Nachrichten für NRW" - so begann NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) am Montag in Düsseldorf ihre Vorstellung des aktuellen Konjunkturberichts für die Wirtschaft in NRW. Für 2023 sei ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von 1,1 Prozent zu erwarten - mehr, als auf Bundesebene, wo die Quote bei minus 0,6 Prozent liegen soll. Diese Prognosen hat das Essener RWI-Forschungsinstitut errechnet.

Noch Mitte des Jahres war das RWI von einem bundesweiten Rückgang der Wirtschaftsleistung von "nur" 0,3 Prozent ausgegangen.

Die Wirtschaft im Land leide besonders unter den Folgen der aktuellen politischen Lage, sagte Neubaur. Europa erreiche in diesem Jahr kaum einen Prozent Wachstum. Eine weltweite wirtschaftliche Krise sei für ein Exportland wie NRW besonders bitter: "Unseren Exporten fehlt der Schwung."

NRW ist besonders stark betroffen, weil hierzulande besonders viele energieintensive Industrien angesiedelt sind. Die hohen Energiepreise seien für viele Betriebe eine echte Bedrohung, sagte Ralf Stoffels, Präsident der Industrie -und Handelskammer NRW. Der Rückgang der Produktion gegenüber 2022 liege hier bei zehn Prozent. Zumal im konkurrierenden Ausland Energiepreise und Arbeitskosten deutlich niedriger wären. Neben den hohen Energiekosten bleibe der Fachkräftemangel die größte Herausforderung für die Unternehmen.

Neubaur: Bundeskanzler Scholz soll handeln

An die Bundesregierung gerichtet, sagte Neubaur, sie fordere seit Monaten die Zusage des Bundes für einen Brückenstrompreis und eine Absenkung der Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß. Bundeskanzler Olaf Scholz könne die Initiative dazu starten. Ihren grünen Amtskollegen auf Bundesebene, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, erwähnte Neubaur in diesem Zusammenhang nicht.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) am 30.10.2023

Neubaur: Menschen kaufen wieder mehr

Doch sei die "Talsohle in Sichtweite", sagte Neubaur auch. Hohe Energiekosten und eine schwache Weltkonjunktur verzögerten zwar den Aufschwung - dennoch könne man zum Jahresende mit einer leichten Erholung rechnen. Hoffnung mache die nachlassende Inflation: Weil die Teuerung sinkt, steige die Kaufkraft der Menschen wieder an. Für 2024 rechne das RWI daher mit einem leichten Wachstum der Wirtschaft in NRW um 0,8 Prozent - immer noch weniger als im Bund, wo mit 1,3 Prozent zu rechnen sei.

Neue Arbeitskräfte ausschließlich mit ausländischem Pass

Gute Nachrichten gebe es aber bei den Beschäftigungszahlen: Der Arbeitsmarkt zeige sich robust. "Übrigens", so Neubaur, werde die steigende Beschäftigung in Deutschland seit Anfang 2023 "nur noch von Menschen ohne deutschen Pass getragen". Deutsche Staatsangehörige würden vor allem aus demografischen Gründen zunehmend aus dem Arbeitsmarkt aussteigen. "Ausländer leisten also einen entscheidenden Beitrag zu unserem Aufschwung."

Krise in Nahost könnte Folgen haben

Doch bei alledem sei nicht ausgeschlossen, dass der Krieg im nahen Osten wirtschaftliche Auswirkungen auf Deutschland NRW haben könnte - wenn beispielsweise die Ölversorgung in Frage stünde. "In Teilen war auch unsere Wirtschaft blind für diese Risiken", sagte Neubaur, "wir sind erpressbar, weil wir uns von Rohstoffen und Technologien einzelner Staaten abhängig gemacht haben". Die Beschränkung des Handels allein auf Demokratien sei aber keine Lösung, "das würde den Kreis unserer Partner massiv einschränken". Wirtschaftliche Vorteile ließen sich dann nicht mehr realisieren - beispielsweise in der Klimapolitik.

FDP sieht Tatenlosigkeit

Kritik kam prompt aus der FDP-Landtagsfraktion: "Wir sind ein Hochkostenland mit teurer Energie, hohen Steuern, zu viel Bürokratie", ließ der Fraktionsvorsitzende Henning Höne verlauten: Statt "mutiger Strukturreformen" habe Wirtschaftsministerin Neubaur "lediglich den Ruf nach Subventionen aus Berlin anzubieten". Anstatt die NRW-Wirtschaft "endlich zu entfesseln", sehe sie "die einzige Lösung im Industriestrompreis". Unter CDU und Grünen, so das Fazit, würde NRW zum "Absteiger".