Blut klebt an einer Straßenlaterne.

Messerattacke auf Schulkinder: Übersahen die Behörden die Dringlichkeit?

Stand: 19.03.2024, 17:57 Uhr

Nach der Messerattacke auf zwei Kinder in Duisburg spricht die SPD im Landtag von Versagen: Warum wurde ein Eilvermerk zunächst übersehen? Im Rechtsausschuss gab es nun Erklärungen.

Von Nina Magoley

Der Vorfall in Duisburg hatte für Entsetzen gesorgt: Ein junger Mann hatte am 28. Februar zwei Grundschulkindern, neun und zehn Jahre alt, auf der Straße aufgelauert und sie mit einem Messer und einem Hammer beide schwer verletzt. Nach der Festnahme des 21-Jährigen kam heraus, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in Duisburg bereits vorher über den Mann informiert waren - als potenzieller Gewalttäter, der konkret angedroht hatte, Menschen zu ermorden.

Einen entsprechenden Hinweis hatte die Polizei im bayerischen Straubing bereits am 8. Januar erhalten. Am 15. Februar ging dann eine Akte der Staatsanwaltschaft Regensburg mit dem entsprechenden Hinweis bei der Staatsanwaltschaft Duisburg ein - dort, wo der Verdächtige wohnte. Doch die zuständigen Behörden ließen Tage vergehen, bis ein Befehl zur Wohnungsdurchsuchung des Mannes angeordnet wurde. Da war der Angriff auf die Kinder bereits geschehen.

Zoff im Landtag: Wurde Eil-Vermerk übersehen?

Seither wird im Landtag NRW darüber gestritten, ob die Tat hätte verhindert werden können. In einer Sondersitzung des Rechtsausschusses, die SPD und FDP beantragt hatten, ging es am Dienstag unter anderem um die Frage, ob die Akte aus Regensburg einen Eilvermerk, der auf die Dringlichkeit des Falles hinweisen sollte, enthalten hat oder nicht. Das Justizministerium NRW hatte das bislang verneint, die Staatsanwaltschaft Regensburg aber eindeutig bejaht.

Für das Justizministerium - Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) ließ sich entschuldigen - erklärte Nils Bußee, dass es entscheidend sei, ob sich der Eilvermerk auf der Akte finden lasse. Dieser soll im Duisburger Fall aber nicht auf dem Deckblatt gestanden haben, sondern in der sogenannten Abgabeverfügung - also im Inneren der Akte. "Das war von außen nicht erkennbar", sagte Bußee, und das erkläre, warum beim Posteingang der Akte in Duisburg nicht "die Alarmglocken angingen".

Der SPD-Abgeordnete warf Bußee darauf "juristische Spitzfindigkeit" vor, um sich aus der Verantwortung zu ziehen: "Das hätten Sie nicht gesagt, wenn Angehörige der Opfer hier im Raum gewesen wären."

Wann kommt die elektronische Akte?

Ein anderer Diskussionspunkt war das quälende Schneckentempo, in dem die wichtigen Erkenntnisse zum späteren Täter übermittelt wurden: Zunächst brauchte die Akte drei Tage, um von Regensburg nach Duisburg zu gelangen - vom 12. bis zum 15. Februar. Nachdem die zuständige Dezernentin bei der Staatsanwaltschaft Duisburg dann am 20. Februar offenbar eiligen Handlungsbedarf erkannte - und sogar in Straubing anrief -, dauerte es weitere zwei Tage, bis die Akte am 22. Februar beim Amtsgericht Duisburg einging, um einen Durchsuchungsbefehl in die Wege zu leiten.

Dann erst konnte eine Wohnungsdurchsuchung bei dem Verdächtigen angeordnet werden. Am 23. Januar wurde der Aktenordner dann dem Ermittlungsrichter vorgelegt - um schließlich am 27. Februar bei der Polizei Duisburg zu landen, die die Durchsuchung durchführen sollte. Einen Tag vor der blutigen Tat.

Sondersitzung zum Messerangriff in Duisburg

WDR 5 Westblick - aktuell 19.03.2024 02:23 Min. Verfügbar bis 19.03.2025 WDR 5


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"Digital wäre das alles schneller gegangen"

Ein Vorgang, der im Zeitalter der Digitalisierung geradezu anachronistisch wirkt. Viel kostbare Zeit ist so verstrichen, in der längst hätte gehandelt werden können - in der die Gewalttat vielleicht hätte verhindert werden können.

Sven Wolf (SPD)

Fragen im Rechtsausschuss: Sven Wolf

"Digital wäre das alles schneller gegangen", stellte Wolf fest. Er wolle daher wissen, wann denn die elektronische Akte in NRW Einzug halte. Man arbeite "unter Hochdruck" daran, erklärte Thomas Kexel für das Justizministerium. Laut Bundesgesetz solle die elektronische Akte bei den Staatsanwaltschaften bis Anfang 2026 eingeführt werden. Gerade bei Strafsachen sei das aber "eine gewaltige Herausforderung". Aber klar sei: Gäbe es die elektronische Akte schon, wären in diesem Fall die Postlaufzeiten entfallen. "Ein 'eilt'-Vermerk auf einer Akte wäre dann auch sehr präsent."