Mit dem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland am Freitag rückt auch die Ditib stärker in den Fokus. Der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), erhöht den Druck auf den Islamverband: Für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen müsse sich die Ditib klarer von antisemitischen Aussagen Erdogans distanzieren. Das sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Freitagsausgabe).
Nathanael Liminski
Konkret knüpfte Liminski den unter anderem mit der Ditib organisierten islamischen Religionsunterricht in NRW an Bedingungen: "Wenn die Ditib Partner des Landes Nordrhein-Westfalen für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht bleiben will, wird sie sich unmissverständlich von den antisemitischen und israelfeindlichen Aussagen von Staatspräsident Erdogan und des Chefs der türkischen Religionsbehörde Diyanet distanzieren müssen."
Denn, so die Argumentation Liminskis, die Zusammenarbeit mit den Islamverbänden bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts "fußt auf unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung". Israels Sicherheit und der Schutz der Juden in Deutschland als deutsche Staatsräson könnten dabei nicht außen vor bleiben.
Die Abhängigkeit der Ditib von der Türkei
Die Ditib steht unter der Kontrolle und Aufsicht der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Der Chef dieser Behörde, Ali Erbas, hatte die Terror-Organisation Hamas jüngst als "Befreiungsorganisation" bezeichnet und der israelischen Armee einen "beispiellosen Völkermord" vorgeworfen.
Auch Erdogan äußerte sich ähnlich: "Die Hamas ist keine Terror-Organisation, sie ist eine Befreiungsgruppe." Zuvor hatte er Mitglieder der Hamas als "Freiheitskämpfer" und Israel als "Terrorstaat" bezeichnet.
Welche Haltung hat die Ditib zum Hamas-Terror?
Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober mit mehr als 1.200 Toten, 5.400 Verletzten und rund 250 verschleppten Geiseln steht die Frage im Raum, wie sich die Ditib als größte Islamorganisation in Deutschland dazu positioniert. Der Koordinationsrat der Muslime, zu dem auch die Ditib gehört, hatte einen Tag nach Ausbruch des Nahost-Kriegs die Gewalteskalation verurteilt, eine Freilassung der Geiseln gefordert und "an alle Parteien" appelliert, der Gewalt ein Ende zu setzen. Eine explizite Verurteilung des beispiellosen Hamas-Terrors fehlte.
Darum hatte Nathanael Liminski Mitte Oktober mehrere Islamverbände in die Staatskanzlei gebeten, man könnte auch sagen, dorthin zitiert. Am Ende gab es eine gemeinsame Erklärung, in der alle Teilnehmenden betonten, dass "die Gräueltaten der Hamas gegen die israelische Bevölkerung uneingeschränkt zu verurteilen" sind.
Widersprüchliche Signale
Es gab als Zeichen für ein friedliches Miteinander danach, sogar gegenseitige Besuche in Synagogen und Moscheen. So besuchten Vertreter des Zentralrats der Muslime, der Ditib, des Verbandes der Islamischen Kulturzentren und der Islamischen Religionsgemeinschaft NRW die Kölner Synagoge. Und danach waren Vertreter jüdischer Verbände in einer Moschee in Bochum zu Gast.
Aber wie passt die Verurteilung des Hamas-Massakers und der Synagogen-Besuch dazu, dass ebendiese Terror-Organisation von dem Leiter der türkischen Behörde, der die Ditib untersteht, als "Befreiungsorganisation" gefeiert wird? Viele Kritiker der Ditib hätten sich gewünscht, dass die Islamverbände in NRW die Verurteilung des Hamas-Terrors breiter und offensiver unter ihren Mitgliedern kommunizieren.
Hintergrund: Der Islamunterricht an NRW-Schulen
Die Ditib ist einer von sechs Verbänden, die seit 2021 in einer Kommission für das NRW-Schulministerium den islamischen Religionsunterricht inhaltlich konzipieren und die Lehrerlaubnis an Pädagogen vergeben. Die Kommission nimmt somit die verfassungsrechtlichen Aufgaben einer Religionsgemeinschaft wahr, analog zur Beteiligung der Kirchen beim evangelischen und katholischen Religionsunterricht.
Die muslimischen Verbände sind nicht als Religionsgemeinschaft mit Körperschaftsstatus anerkannt. Im vergangenen Jahr erhielten rund 22.000 der mehr als 436.000 muslimischen Schüler in Nordrhein-Westfalen islamischen Bekenntnisunterricht.
Seit dem Wintersemester 2012/2013 wird das Studienfach "Islamische Religionslehre" zur Ausbildung von Lehrkräften an der Universität Münster angeboten. Auch an der Universität Paderborn ist ein entsprechendes Studium möglich.