Das Freitagsgebet: In Zeiten des Terrors und Krieges

Aktuelle Stunde 13.10.2023 UT Verfügbar bis 13.10.2025 WDR Von Alexander Roettig

Kritik an Ditib: Keine klare Verurteilung der Hamas-Attacke auf Israel

Stand: 13.10.2023, 19:39 Uhr

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel tun sich die Islamverbände in Deutschland schwer, den Terrorakt zu verurteilen. Für den Islamexperten Eren Güvercin wäre das aber ein wichtiges Zeichen.

Am ersten Freitag nach den Anschlägen der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Freitagspredigten in den Moscheen, auch in Deutschland. Die zentrale Frage dabei: Wie äußern sich die Imame zu den Angriffen aus dem Gazastreifen?

Vor allem die Ditib, der größte Islamverband in Deutschland mit Sitz in Köln, stand dabei im Fokus. Ali Erbas, Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, deren deutscher Ableger die Ditib ist, hatte in einer Predigt in der Türkei offen Israel kritisiert.

Oberste islamische Autorität der Türkei verteidigt Hamas-Angriffe

Ali Erbas beim Gebet in der Hagia Sophia

Ali Erbas beim Gebet 2020 in der Hagia Sophia

"Wie ein rostiger Dolch, der im Herzen der muslimischen Geographie steckt, hat Israel in den von ihm besetzten Gebieten auf alle Arten von Unterdrückung gegen Muslime zurückgegriffen", sagte Erbas in der Predigt unter dem Titel "Gebet für die Unterdrückten, Loyalität gegenüber Palästina".

Statt die Anschläge der Hamas zu verurteilen, bat er Allah in seiner Predigt darum, den "Opfern und unterdrückten palästinensischen Brüdern, die vor den Augen der ganzen Welt massakriert werden", zu helfen. Ausschnitte dieser Freitagspredigt wurden auch auf dem X-Account (ehemals Twitter) des Diyanet-Präsidenten veröffentlicht. Auf Anfrage des WDR wollte die Ditib am Freitag keine Stellungnahme zu diesen Aussagen abgeben.

Güvercin: "Das ist antisemitische Hetze"

Eren Güvercin, Gründungsmitglied der Alhambra Gesellschaft für Völkerverständigung

Eren Güvercin

Als "antisemitische Hetze" bezeichnet Eren Güvercin, Gründungsmitglied der Alhambra Gesellschaft für Völkerverständigung, diese Aussagen im Gespräch mit dem WDR. Ihn beunruhigt, dass solche Botschaften neben den Soziale Medien auch über türkische und arabische Medien verbreitet werden.

"Dort überwiegt Hetze gegen Israel, eine extreme Opfer-Täter-Umkehrung und eine Glorifizierung der Hamas", sagt Güvercin. Aus diesem Grund sieht er eine wichtige Rolle bei den Islamverbänden in Deutschland. "Sie müssen Gewaltaufrufen eine klare Absage erteilen und das auch so in die Gemeinden kommunizieren."

Bislang seien die Islamverbände dieser Verantwortung nicht ausreichend nachgekommen, sagt Güvercin. Erst auf den Druck der Öffentlichkeit hin, sei "nachjustiert" worden. "Aber selbst diese Aussagen sind noch immer sehr relativierend und leider sehr enttäuschend."

Anders der Vereinsvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde in Köln: "Es ist unglaublich zu sehen, wozu Menschen in der Lage sind", sagt Faseeh Chaudry dem WDR. "Mich macht es traurig, dass das Ganze noch im Namen des Islams gerechtfertigt wird." Doch auch im Freitagsgebet seiner Moschee steht das Leid der Palästinenser im Mittelpunkt.

"Mich überrascht es nicht, dass die Islamgemeinschaften in Deutschland die Anschläge auf Israel nicht deutlich verurteilen", sagt die Antidiskriminierungsbeauftragte des Landes NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Ihre Kritik ist eher allgemeiner formuliert, weil sie einige Ihrer Mitglieder, zu denen auch teilweise Gläubige mit extremeren Einstellungen bezüglich Israel gehören, nicht verärgern wollen."

Allgemeine Kritik in deutscher Ditib-Predigt

Diese Tendenz zeigt sich auch an der Freitagspredigt, die die Ditib auf ihrer Internetseite veröffentlichte. Darin werden zwar "alle terroristischen Handlungen, unabhängig davon, von wem sie ausgehen und gegen wen sie gerichtet sind" verurteilt. Kritik oder eine eindeutige Identifizierung der Hamas als Terrororganisation, sucht man darin aber vergebens.

Stattdessen findet sich darin eine Passage, die man auch als Rechtfertigung für die Angriffe aus dem Gazastreifen auf Israel interpretieren kann. "Wir als Muslime lehnen jegliche Art von Besatzungsversuchen, die ein Umfeld der Angst, der Furcht, des Hasses und der Hetze schaffen und unsere schöne Welt unbewohnbar machen wollen, ab."

Ditib fordert Ende der Sanktionen gegen den Gazastreifen

Ohne die Konfliktparteien beim Namen zu nennen, fordert die Predigt das Ende der militärischen Aktionen Israels gegen den Gazastreifen: "Wir fordern ein Ende aller materiellen und moralischen Blockaden und Embargos, die den Zugang zu den Grundnahrungsmitteln verhindern und einschränken, die für ein menschenwürdiges Leben notwendig sind, wo immer sie sich befinden."

Eren Güvercins wundert diese Relativierung nicht. Die Ditib wolle es sich nicht mit Ankara verscherzen. Seine Meinung zu den Aussagen ist eindeutig: "Das ist keine Freitagpredigt, die einer Religionsgemeinschaft in Deutschland steht."

Unsere Quellen:
- X-Account (ehemals Twitter) von Ali Erbas
- WDR Aktuelle Stunde
- Website
Ditib

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