Justizminister Limbach sorgt für "fetten" Skandal

Aktuelle Stunde 23.11.2023 UT Verfügbar bis 23.11.2025 WDR Von Daniela Rüthers-Becker

Hat der Justizminister gelogen? Opposition fordert Rücktritt von Limbach

Stand: 23.11.2023, 19:57 Uhr

Hat sich der Justizminister in ein Bewerbungsverfahren eingemischt und die Öffentlichkeit belogen? Diese Vorwürfe bringen Benjamin Limbach massiv in Bedrängnis. Er selbst versteht die ganze Aufregung nicht.

Von Christian Wolf

Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) die Affäre rund um die umstrittene Besetzung eines hohen Richterpostens überstehen könnte. Doch nach den neuerlichen Enthüllungen ist der Druck auf den Minister größer als jemals zuvor.

Limbach muss laut Opposition gehen

So fordern SPD und FDP den Rücktritt von Limbach. "Das Maß ist für uns schon lange voll. Mit dieser neuen Wendung sehen wir uns in unserer Rücktrittsforderung einmal mehr bestätigt", sagte SPD-Fraktionsvize Elisabeth Müller-Witt am Donnerstag. Es gehe um den "Vorwurf der Manipulation". "Der Noch-Minister hat offenbar versucht, persönlich auf das Verfahren und konkurrierende Bewerber einzuwirken. Damit ist er aus unserer Sicht nicht mehr tragbar."

Auch die FDP sagt, dass der Justizminister nicht mehr im Amt bleiben kann. "Die neuen Enthüllungen über das fragwürdige Verhalten von NRW-Justizminister Benjamin Limbach machen ihn in seinem Amt untragbar", sagte Fraktionschef Henning Höne. Der Vorwurf: "Limbach hat den Rechtsausschuss und die Öffentlichkeit belogen." Denn entgegen seiner Behauptung habe der Grünen-Politiker "massiv persönlich Einfluss" auf die Besetzung des Präsidentenamtes am Oberverwaltungsgericht Münster genommen. Zudem sagte Höne:

"Geht der Justizminister nicht von selbst, steht Ministerpräsident Hendrik Wüst in der Pflicht, ihn zu entlassen. Ein Rücktritt wäre nicht nur im Interesse der Glaubwürdigkeit dieser Landesregierung, auch unsere demokratische Wertebasis muss geschützt werden." Henning Höne, Fraktionschef der FDP im Landtag

Parallel haben SPD und FDP am Donnerstag eine neuerliche Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragt. In dem Antrag ist von "persönlicher Einflussnahme" und "manipulativer Kraft" des Justizministers die Rede.

Seitens der AfD hieß es am Donnerstag: "Der Verdacht der Vetternwirtschaft steht im Raum." Sollte der Justizminister tatsächlich auf Bewerber eingewirkt haben, um eine ihm genehme Bewerberin installieren zu können, wäre dies ein "eklatanter Machtmissbrauch". "Sollten sich die Vorwürfe erhärten, muss Limbach umgehend zurücktreten", sagte der Landtagsabgeordnete Hartmut Beucker.

Justizminister Limbach steht weiter unter Druck

00:45 Min. Verfügbar bis 23.11.2025


Keine Absetzbewegungen und keine Rückdeckung

Wie groß der Rückhalt innerhalb der schwarz-grünen Koalition für den Justizminister ist, ist derzeit unklar. Absetzbewegungen von führenden Vertretern gibt es bislang nicht. Öffentliche Rückendeckung wird dem angeschlagenen Minister aber auch nicht gegeben. So hieß es von einem Sprecher der Staatskanzlei, der Ministerpräsident und der Chef der Staatskanzlei seien im "ständigen Austausch mit allen Mitgliedern der Landesregierung, auch mit Minister Limbach". Zu Inhalten dieser vertraulichen Gespräche äußere sich die Landesregierung grundsätzlich nicht.

CDU-Mann löscht Grünen-kritischen Post

Doch nicht jeder scheint sich mit den neusten Entwicklungen wohl zu fühlen. Das zeigt eine Äußerung des CDU-Bundestagsabgeordneten Marc Henrichmann aus Coesfeld. Der hat am Donnerstag öffentlich die Grünen kritisiert. Nur kurze Zeit später war die Nachricht auf der Plattform X (früher Twitter) aber wieder gelöscht. Eine Anfrage des WDR blieb unbeantwortet.

Marc Henrichmann

CDU-Mann Marc Henrichmann kritisiert die Grünen

Henrichmann hatte Parallelen zu den Diskussionen rund um die Grünen-Staatssekretäre in Berlin gezogen, von denen einer auch zurückgetreten ist. So hieß es: "Nach Causa Graichen und Morgan nun der nächste grüne Minister, der offenbar Personalpolitik macht nach dem Motto 'es gibt keine besseren als uns'."

Persönliche Gespräche mit Bewerbern

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Limbach Bewerber für das Amt des Präsidenten am Oberverwaltungsgericht zum Rückzug bewogen haben soll. Das wäre ein schwerwiegender Eingriff - insbesondere für einen Justizminister.

Schon länger wird dem Grünen-Politiker vorgeworfen, er habe in dem Besetzungsverfahren eine Bewerberin bevorzugt, die er aus früheren Zeiten bereits kannte und mit der er kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 2022 gemeinsam essen ging. Auch zwei Verwaltungsgerichte haben das Besetzungsverfahren bereits scharf kritisiert.

Nun ist noch zusätzlich bekannt geworden, dass Limbach versucht haben soll, zwei Bewerber in persönlichen Gesprächen zum Rückzug zu bewegen. Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ) hat darüber in ihrer Donnerstagsausgabe berichtet.

Frontansicht des NRW-Justizministeriums in Düsseldorf

Justizministerium in Düsseldorf

In einem Fall handelt es sich um einen Abteilungsleiter des Justizministeriums. Diesem soll Limbach empfohlen haben, seine erfolgreiche Arbeit im Ministerium fortzusetzen, wie eine Ministeriumssprecherin der WAZ erklärte. Daraufhin soll der Angesprochene unmittelbar einen Anwalt eingeschaltet haben.

Einem Bundesrichter, der ebenfalls an dem NRW-Posten interessiert war, habe Limbach gesagt, dass man eine "Bessere" habe und ihn "gebeten vor dem Hintergrund der gesamten Bewerberlage zu prüfen, ob er seine Bewerbung aufrecht erhält", schrieb die Sprecherin des Ministeriums der Zeitung.

Limbach will Bewerber nicht gedrängt haben

Am Donnerstag äußerte sich Limbach in einer schriftlichen Erklärung. Darin besteht der Minister darauf, dass alles korrekt abgelaufen ist. "In meinen Gesprächen wurde kein Bewerber aufgefordert oder in irgendeiner Weise dazu gedrängt, seine Bewerbung zurückzuziehen." Zudem hätten die beiden Bewerber um die Gespräche gebeten.

Limbachs Version lautet so: Den Abteilungsleiter in seinem Ministerium habe er lediglich "gebeten", seine Tätigkeit fortzusetzen. "Er verfügt über eine herausragende Erfahrung in der Bundes- und Landesgesetzgebung, die ich sehr schätze und auf die ich nicht verzichten wollte." Den anderen Bewerber habe er gebeten zu prüfen, ob er seine Bewerbung "aufrechterhalten möchte".

Hat der Justizminister gelogen?

Dennoch steht nun der schwerwiegende Verdacht im Raum, dass Limbach gelogen hat. Denn in den vergangenen Wochen hatte er mehrfach betont, dass er sich nicht in das Bewerbungsverfahren eingemischt hat:

  • So sagte er Anfang Oktober in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses: "Maßstab für meine Entscheidung in diesen Besetzungsfragen ist allein die Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz."
  • Knapp drei Wochen später hieß es in einer erneuten Sondersitzung, die zuständige Abteilung im Justizministerium habe die Bewerbungen "ergebnisoffen" prüfen sollen, wer nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung die bestgeeignete Person sei. Zudem versicherte Limbach: "Es hat keine politische Einflussnahme auf diese Besetzung gegeben. Eine solche hätte ich als Justizminister mir verbeten."

Sollte der Justizminister aber zwei Bewerber noch während des laufenden Verfahrens zum Rückzug gedrängt haben, stünde genau dieser Verdacht im Raum: eine politische Einflussnahme auf das Verfahren.

Unsere Quellen:

  • Berichterstattung der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung"
  • Presseerklärungen von SPD, FDP und AfD
  • Statment von Justizminister Limbach
  • Ausschussprotokolle des NRW-Landtages

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