NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat am Donnerstag über die aktuelle Corona-Lage informiert - und zwar zusammen mit dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens. Er stellte fest, dass es inzwischen eine Grundimmunität gegen Corona in der Bevölkerung gebe - ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zum letzten Winter.
Aber die offizielle Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt auch in NRW wieder. Darum fragen sich viele Menschen, ob eine vierte Impfung mit einem an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff sinnvoll ist. Eine Frage, die Mertens differenziert und zugleich gut strukturiert beantwortete.
Es bleibt bei der Empfehlung für Ü60 und Vorerkrankte
Der Stiko-Chef machte zunächst einige sehr grundsätzliche Bemerkungen: Das Impfen sei eine medizinische Maßnahme, es bedürfe dafür einer Indikation. Es sei keineswegs so, dass viel auch viel helfe. Das Argument "es schadet nicht" sei keine hinreichende Indikation für eine Impfempfehlung.
Darum kommt Mertens zu dem Schluss: Menschen, die ein hohes Risiko einer schweren Erkrankung haben, sollten sich erneut mit einem angepassten Impfstoff boostern lassen. Das höchste Risiko sei das Alter, darum die Empfehlung für alle über 60-Jährigen. Zudem sei die Impfung für Vorerkrankte und Personal in medizinischen und Pflegeeinrichtungen sinnvoll, hier gebe es auch um den Schutz Dritter.
Laumann: 90 Prozent der Ü60-Jährigen sollen vierfach geimpft sein
Gesundheitsminister Laumann nannte folgende Zahlen zum Impfstatus der über 60-Jährigen in NRW:
- 1. Impfung haben 93 Prozent
- 2. Impfung haben 92 Prozent
- 3. Impfung haben 88 Prozent
- 4. Impfung haben 37 Prozent
Wobei in die letzte Zahl noch diejenigen hinzugerechnet werden müssten, die eine Infektion durchgemacht haben. Als Ziel der Landesregierung nannte Laumann eine Quote bei der vierten Impfung von 90 Prozent bei den über 60-Jährigen. "Dann wäre ich sehr, sehr zufrieden", sagte Laumann, und das "würde uns in den Krankenhäusern sehr, sehr helfen."
Aber Lauterbach sagt ....
Immer wieder, so auch in Düsseldorf, wurde Stiko-Chef Mertens mit anderslautenden Ratschlägen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) konfrontiert. Der rät auch unter 60-Jährigen, sich sechs Monate nach der dritten Immunisierung erneut boostern zu lassen, wenn sie bis dahin keine Infektion durchlaufen haben. Dazu sagte Mertens, dass die Hypothese, dass man mit einem angepassten Impfstoff seine Immunantwort ausweitet "nicht wissenschaftlich gestützt", aber wahrscheinlich sei. Aber, so gab er zu bedenken, es könne nicht sein, dass wir in den nächsten Jahren alle sechs Monate die Menschen zu einer erneuten Impfung auffordern. Es brauche klare Indikationen für eine Impfempfehlung.
Und das Problem Long Covid?
Strittig ist auch die Frage, wie sich ein zweiter Booster mit einem neuen Impfstoff auf die Gefahr, an Long Covid zu erkranken, auswirkt. Thomas Mertens merkte dazu an, dass insgesamt noch viele Fragen rund um Long Covid zu klären seien. Darum sei die Lage schwer zu beurteilen. So gebe es keine einheitliche Krankheitsdefinition, die Häufigkeit sei unklar, die Risikofaktoren, die zu Long Covid führten ebenso. Da Pims bei Kindern mit dem Auftreten der Omikron-Variante stark nachgelassen habe, müsse man auch noch die Erreger-Variante mit einbeziehen. In Summe sieht Mertens "einen erheblichen Forschungsbedarf zu Long Covid".
Ist das überhaupt noch eine Pandemie?
Und auch diese Frage wird immer wieder gestellt: Ist das überhaupt noch eine Pandemie oder ist sie längst vorbei? Das sei eine Frage der Definition, erklärte Mertens. Und die besage eigentlich, dass bei einer Pandemie ein neuer Erreger weltweit in die menschliche Population einbreche. Die Schwere der Erkrankungen sei nicht Teil der Definition. Darum spricht Mertens auch lieber von einer endemischen Phase. Das Virus werde bleiben und es werde weiterhin Infektionen mit dem Corona-Virus geben. Aber gleich, wie das Phänomen genannt wird, Fakt ist: Es gibt weiterhin zahlreiche Erkrankungen.
Laumann spricht lieber von Hinweis als von Inzidenz
Karl-Josef Laumann betonte, die Zahlenlage zur Corona-Situation in NRW sei vor allem durch ein großes Dunkelfeld charakterisiert. Denn: Nur die durch PCR-Tests bestätigten Infektionsfälle werden gezählt. Der Minister wandte selbst ein, dass es mitunter schwer sei, in Arztpraxen an einen PCR-Test heranzukommen. "Es ist ein Hinweis, es ist keine Inzidenz mehr", betonte Laumann.
Demnach gibt es aktuell eine 7-Tage-Inzidenz von 395 in NRW, seit der letzten Woche gebe es einen ansteigenden Trend. Der Wert für den Bund liege bei 462. Insbesondere bei den Älteren gebe es eine Zunahme der Infektionen, hier könne es aber auch sein, dass wegen der Regeltestungen in Einrichtungen "die Dunkelziffer mehr aufgehellt wird", warf der Minister ein. In den Kliniken seien aktuell vier Prozent der Betten mit Patienten belegt, die mit Covid-19 infiziert seien, und drei Prozent der Intensivbetten seien mit Covid-Patienten belegt. In Summe sprach Laumann von einer "sehr entspannten Lage" in den Krankenhäusern.
"Wer infiziert ist, soll zu Hause bleiben!"
Und noch ein Punkt war dem Christdemokraten Laumann wichtig: NRW habe sich bewusst nicht dem Vorstoß der CDU-Bundesländer angeschlossen, die den Bund zur Aufhebung der Isolationspflicht aufforderten. Der NRW-Gesundheitsminister machte die klare Ansage: "Wer infiziert ist, soll zu Hause bleiben." Und wer Symptome habe, so sein Appell, soll sich bitte testen, bevor er zur Arbeit geht.